Das Erbe der Apothekerin - Roman
unkonventionelle Art und Weise zu heilen.
»Natürlich müsst Ihr Eure Verwandte aufsuchen, mein Kind. Diese Kleine, Mariechen, die Euch so tapfer hilft, obwohl sie oft vor lauter Husten kaum noch Luft bekommt, wird gewiss versuchen, Euch würdig zu vertreten.«
Der ältliche Apotheker lächelte dabei und unterbrach die Tätigkeit, die ihm am meisten am Herzen lag: die Erstellung eines umfassenden Kräuterbuches, in dem er alle in deutschen Landen vorkommenden Heilpflanzen samt ihrer Wirkung auf den menschlichen Organismus darstellen wollte. Der erste Teil des geplanten Werks war beinahe schon fertiggestellt. Es fehlten nur noch ein paar Illustrationen, zu denen ihm jedoch Magdalena bereits die genauen Vorlagen geliefert hatte. Sie hatte großen Spaß daran, nach der Natur zu zeichnen. Bruder Gregor konnte ohne Korrekturen die von ihr mit Tusche angefertigten Pflanzenzeichnungen übernehmen, in dem er sie einfach abpauste.
»Beim zweiten Teil Eures Werkes helfe ich Euch wiederum sehr gerne«, versprach Magdalena, indem sie dem Ordensbruder über die Schulter blickte und voll Bewunderung die eben vollendete Seite begutachtete. In der Fortsetzung des umfangreichen Werkes wollte der in Medizin und Heilkunde ausgebildete Franziskaner die Heilkräfte der übrigen europäischen Kräuter und Pflanzen vorstellen. Der rege Handel mit Italien, Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden machte das möglich. Ja, nicht wenige der Kaufherren lieferten getrocknete Gewächse an, die von ganz weit her kamen: aus Russland und Arabien etwa oder gar aus Indien und China.
Für den dritten Teil seines Werkes hatte Frater Gregor sich vorgenommen, verschiedene Mineralien sowie die Rinden und Wurzeln unterschiedlicher Gewächse aufs Genaueste hinsichtlich ihrer Wirkung zu untersuchen. Das Schwierigste dabei war das Festlegen der genauen Dosis. »Fast alles taugt als Arznei«, pflegte schon Magdalenas Vater zu predigen. »Allein die Dosis entscheidet dabei über Heilmittel oder Gift.«
Die junge Apothekerin verabschiedete sich und ergriff gleichzeitig die Gelegenheit, dem Mönch, der sie gegen die Vorwürfe Frater Malachias’ in Schutz genommen und ihr auch sonst in vielerlei Hinsicht sehr geholfen hatte, noch einmal zu danken.
»In drei oder spätestens vier Wochen stehe ich Euch wieder zur Verfügung, Frater Gregor. «
Die starken, mehrmals am Tage auftretenden, bedrohlichen Gewitter – es war Hochsommer – gestalteten den Ritt vom Bodensee nach Ravensburg nicht gerade angenehm. Immer wieder waren die Reisenden gezwungen, Pausen einzulegen,
um Unterschlupf zu suchen vor sintflutartigen Regenfällen und furchterregenden Blitzeinschlägen.
»Schau da vorne, Vetter«, rief Magdalena ihrem Verwandten, der unmittelbar neben ihr ritt, zu. »Auch in diesen Kirchturm hat der Blitz eingeschlagen, und den Dachstuhl hat der Sturm abgedeckt. Überall liegen Ziegelsteinbrocken und Holzschindeln herum!«
»Das ist schon das zweite Gotteshaus, das dem Unwetter zum Opfer gefallen ist, neben dem halben Dutzend an Wohnhäusern, die bis auf die Grundmauern niedergebrannt sind«, stellte Albrecht von Meinrad fest. »So extrem starke Gewitter wie heuer sind zum Glück selten.«
Von Staad aus hatten sie auf Booten mit den Pferden übergesetzt auf die andere Seeseite. Als sie sich dem Kloster Sankt Marien am See näherten, überkam Magdalena einen Augenblick lang das dringende Bedürfnis, die Schwestern aufzusuchen, die etliche Monate lang ihre Gefährtinnen gewesen waren, unter ihnen Schwester Philomena, die uralte heilkundige Nonne. Was wohl aus dem jungen Fischer Martin, ihrem selbstlosen Fluchthelfer, geworden war? Und aus seinem Freund Peter, dem Holzknecht des Grafen? Sie betete darum, dass man beiden jungen Männern nichts hatte nachweisen können …
Während sie nur einen Steinwurf weit vom Eingangstor entfernt vorüberritten, stellte Magdalena sich vor, sie würde tatsächlich die Mauern des Klosters betreten. Die Oberin würde sicherlich vor Wut schäumen nach all den Misslichkeiten, die sie durch Magdalenas Verschwinden erlitten hatte. Und ob die anderen Schwestern sich wirklich über ihren Besuch freuen würden? Wer sagte ihr zudem, dass die alte Schwester Philomena überhaupt noch lebte? Die Seuche hatte bestimmt auch hier ihre Opfer gefordert. Nein, besser, man ließ die Vergangenheit
ruhen. Entschlossen trieb Magdalena ihr Pferd mit den Hacken zu einer schnelleren Gangart an.
Im Vorbeireiten entdeckte sie, dass auch der
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