Das Erbe der Apothekerin - Roman
Nonnenkonvent unter den Unwettern schwer gelitten hatte. Die Krone einer riesigen Eiche, deren mächtigen Stamm ein Blitzeinschlag gespalten hatte, war aufs Dach der Klosterbibliothek gestürzt, hatte es eingedrückt und den Dachstuhl schwer beschädigt. Zudem musste ein Brand ausgebrochen sein, die Hausmauer war verrußt, und die nackten Dachbalken ragten verkohlt gen Himmel.
Die junge Frau musste an die sorgsam gehüteten, wunderschönen Buchexemplare denken, meistens Neue und Alte Testamente, Stundenbücher oder andere heilige Schriften, allesamt von den Reichenauer Mönchen in wahrhaft künstlerischer Manier ausgestaltet in Goldschrift und mit farbenprächtigen Illustrationen.
Vermutlich war ein Teil davon ein Raub der Flammen geworden, oder die eindringenden Wassermassen hatten sie zerstört. Welch unersetzlicher Verlust!
»Sankt Georgen müssten wir eigentlich erreichen können«, unterbrach Albrecht ihre Gedanken und blickte dabei aber zweifelnd auf Berta, die sich kaum noch auf ihrem Gaul zu halten vermochte. Der starke Wind machte ihr zu schaffen, außerdem war sie nicht mehr die Jüngste. Um nicht doch noch daheimgelassen zu werden, hatte die Haushälterin behauptet, in ihrer Jugend als älteste von vier Bauerntöchtern »eine ausgezeichnete Reiterin« gewesen zu sein. Dass sie mit Pferden in der Tat gut umzugehen vermochte, war nicht zu leugnen, aber die Praxis im Reiten fehlte der ältlichen, korpulenten Frau. Nicht ganz so schlimm, aber ähnlich verhielt es sich mit Magdalena. Auch sie schien erschöpft und hielt sich nur noch krampfhaft im Sattel aufrecht.
Da der Regen gerade einmal aufgehört hatte, fasste Albrecht von Meinrad einen Entschluss. Er gab seinem Pferd die Sporen, trieb es an die Spitze des kleinen Trupps und hob alsbald die Hand.
»Halt!«
Verwundert zügelte der kleine Trupp seine Reittiere.
»Wir halten kurz an, vertreten uns die Beine und nutzen den Aufenthalt, indem wir einiges ändern!«, verkündete ihr Anführer.
Als das Kommando zum Weiterritt erfolgte, saß Magdalena hinter Albrecht auf seinem Braunen und Berta hinter einem der Soldaten. Die Pferde der beiden Frauen wurden jetzt an einer ledernen Leine mitgeführt.
Das hatte gleich mehrere Vorteile. Die Frauen brauchten sich nicht mehr aufs Lenken ihrer Tiere zu konzentrieren, sondern konnten sich an ihrem Vordermann festklammern – etwas, das vor allem Albrecht sehr genoss. Von ihm aus hätte die Reise mit seiner bildschönen Verwandten – so dicht an seinen Rücken gepresst – ewig andauern können … Und von vorne waren die Frauen durch die breiten Rücken der Männer vor Wind und Regen geschützt. Somit kamen sie alle um einiges schneller voran.
Das gute Einvernehmen zwischen Magdalena und Albrecht erlitt schon bald einen empfindlichen Rückschlag: So angetan der junge Mann nämlich von seiner Base war, schwebte ihm freilich nur ein lockeres, unverbindliches Liebesgeplänkel vor, das ihn zu nichts verpflichtete. Niemals würde er eine Frau niedrigeren Standes heiraten.
Das konnte er etwaigen aus einer derartigen Mesalliance hervorgehenden Kindern nicht antun: Sie würden den Adelstitel verlieren und in den bürgerlichen Stand absinken.
In Ravensburg angekommen, begann er Magdalena eindeutige Avancen zu machen – die unweigerlich zu einem für ihn unangenehmen Missverständnis führten, denn Magdalena war ganz offensichtlich der Meinung, Albrecht habe ernsthafte Absichten.
»Das musst du doch verstehen, Lenchen«, brachte er mit treuherzigem Augenaufschlag vor, als er der jungen Frau nicht die Ehe, sondern ein »zwar sündhaftes, aber höchst vergnügliches Verhältnis« schmackhaft zu machen versuchte.
»Ich liebe dich rasend, du Süße, aber heiraten kann ich nur eine Dame aus dem Adelsstand.«
Dabei versuchte er, die junge Frau in die Arme zu nehmen und zu küssen. Aber Magdalena wich ihm geschickt aus.
»Wenn er mich erst küsst, bin ich verloren«, dachte sie. Zu groß war ihre Sehnsucht danach, einmal wieder von einem Mann im Arm gehalten zu werden. Und Albrecht war wirklich überaus attraktiv …
Energisch dankte sie ihm stattdessen für seine Ehrlichkeit, machte dem adelsstolzen Vetter aber ebenso unmissverständlich klar, dass er für sie unter diesen Umständen als Mann nicht infrage kam.
»Das wirst du doch begreifen, mein Lieber: Für eine unverbindliche Tändelei bin ich mir zu schade. Du musst wissen, auch wir Bürgermädchen haben unseren Stolz! Ich wünsche mir einen Ehemann, der zu
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