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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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kurieren könnt. In Ravensburg – zumindest in diesem Haus – werdet Ihr Euren Lebensabend mit Sicherheit nicht verbringen!«
    Damit stürzte sie die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wo sich an der großen Eingangstür mehrere Leute vom Gesinde versammelt hatten. Ein paar trockneten sich ihre verheulten Augen, und der Knecht Gandolf, der sie vor gut zwei Monaten mit der Kutsche ins Kloster Sankt Marien am See gebracht hatte, ballte sogar beide Fäuste.
    »Es tut uns allen so leid, Jungfer Magdalena! Wenn wir etwas für Euch tun können, lasst es uns wissen. Dass Herr Georg so plötzlich von dieser Erde hat gehen müssen, war ein großes Unglück für uns alle.«
    »Ich danke euch, ihr guten Leute! Aber verzagt nicht, ich werde schon Rat und Hilfe schaffen!« Ein paar der Dienstboten küssten ihr die Hand, ehe Magdalena, ganz gerührt über das spontane Einvernehmen mit diesen schlichten Menschen, hocherhobenen Hauptes das Gebäude verließ, um den kurzen Weg zu Konrad Grießhaber zu nehmen, dessen behäbig-vornehmes Elternhaus sich in der Kirchgasse befand.

KAPITEL 5
    MUTTER NOTBURGAS BLICKE, mit denen sie das Häuflein ihrer Klosterknechte maß, flößten den Männern größtes Unbehagen ein.
    »Was soll das heißen: ›Wir haben sie nicht gefunden!‹ Das ist gar nicht möglich. ›Wer suchet, der findet‹, so steht es geschrieben. Und daraus folgt: Wer nicht findet, der hat es versäumt, ordentlich zu suchen!«
    Ärgerlich schlug die Leiterin des Klosters ihre schmalen Hände zusammen.
    »Was soll ich mit einem solchen Haufen untauglicher Kerle bloß anfangen? Seid ihr wirklich zu dumm, um ein junges Mädchen einzufangen, das jederzeit an seiner Klostertracht als zu uns gehörige Novizin erkennbar ist?
    Die Kleider, in denen Jungfer Magdalena Scheitlin in Sankt Marien angekommen ist, liegen nach wie vor in der großen Truhe auf dem Speicher über dem Dormitorium der Schwestern. Was nur bedeuten kann, dass sie in ihrem grauen Kittel und dem weißen Schleier weggelaufen ist. Das Tuch wird sie vielleicht weggeworfen oder zumindest abgenommen haben, doch das bodenlange, schlichte Gewand mit der grauen Schürze und dem schmalen, weißen Kragen wird sie überall verraten. Aber ihr Tölpel habt sie nirgendwo gesehen!«
    Der älteste der Burschen fühlte sich zur Verteidigung gedrängt.
    »Ehrwürdige Mutter! Erlaubt, dass ich dazu etwas sage«, begann er demütig.
    »Sprich, du Esel!«
    Die übrigen Männer duckten sich unter der scharfen Stimme der Oberin wie unter dem Schlag einer Peitsche. Aber dieser Knecht ließ sich nicht einschüchtern.

    »Verzeiht, Herrin! Uns trifft keine Schuld. Da wir nicht wussten, ob sich die Jungfer über Land oder übers Wasser aus dem Staub gemacht hat, mussten wir uns aufteilen. Und da keiner ihre Flucht gesehen hat, weiß auch niemand, wann genau sie abgehauen ist. Es ist gut möglich, dass sie bereits in der Nacht das Kloster verlassen hat. Als Ihr am Morgen ihre Abwesenheit bemerkt habt, war sie bestimmt längst über alle Berge.«
    »Na, und?« Die Äbtissin schien jetzt wirklich böse zu sein. »Was willst du mir damit sagen, Kerl?« Sie stemmte die Arme kämpferisch in die Seiten. »Dass wir, weil die Suche ja doch nichts bringt, am besten die Hände gleich in den Schoß legen und gar nichts unternehmen sollen, oder was? Nichts als elende Faulpelze seid ihr!«
    Aber auch jetzt verlor der Mann die Ruhe nicht. »Ich will damit sagen, Ehrwürdige Mutter, dass Ihr Eure schlechte Laune nicht an uns auslassen solltet. Wir tun, was wir können. Und wir werden auch weitersuchen – allerdings brauchen wir dazu die nötige Verstärkung. Ihr solltet deshalb den allzeit guten Nachbarn des Klosters, den Grafen von Pfullendorf, benachrichtigen und ihn bitten, uns Männer zur Seite zu stellen – am besten berittene –, damit wir die Verfolgung aufnehmen können. Ich schätze, die kleine Apothekerin hat den Weg nach Hause, nach Ravensburg, angetreten. Das hätte ich an ihrer Stelle wenigstens getan. Wo sollte sie sonst hin?«
    »Erstens bedanke ich mich für den guten Rat, Bursche«, spöttelte die Äbtissin im grauen Habit der Franziskanerinnen. »Beachtlich, was du dir in deinem einfachen Kopf zusammengereimt hast! Zweitens war sie keine ›kleine Apothekerin‹, sondern bereits beinahe eine Mitschwester, die bei uns für den Dienst an den Kranken auserkoren war.
    Das macht ihre Flucht umso verwerflicher, und jeder, der
ihr dabei geholfen hat, darf sich auf harte Strafen gefasst machen.

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