Das Erbe der Apothekerin - Roman
junge Frau nicht.
Beide waren während ihrer Arbeit mit Nadel und Faden aus der Ohnmacht aufgewacht, hatten geschrien wie am Spieß, wild um sich geschlagen und versucht, sich loszureißen. Sekretär und Diener hatten sie jedoch eisern festgehalten, während ihnen Magdalena einen Trank aus zerstoßenen Mohnsamen einflößte, der die Duellanten rasch weiterschlummern ließ.
Ihre einzige Sorge dabei war, die Dosis für das Betäubungsmittel zu hoch gewählt zu haben. Aber sie verließ sich darauf, dass keiner der zwei an einer Herzschwäche litt. Für diesen Fall hatte sie auf dem Tischchen neben dem Bett ein Fläschchen mit Arnikatropfen bereitgestellt. Äußerlich hatten sich diese als Wundheilmittel sehr bewährt bei Quetschungen und Blutergüssen, regten aber – innerlich eingenommen – auch die Herztätigkeit an.
Sollten die Herren trotzdem Anzeichen von nachlassender Vitalität zeigen, würde sie außerdem mit Maiglöckchenauszügen nachhelfen – und im schlimmsten Fall mit Rotem Fingerhut, der selbst bei schwerster Herzschwäche half. Allerdings auch wieder nur in der richtigen Dosierung, sonst bedeutete diese Pflanze den unweigerlichen Tod. Als Magdalena daran dachte, lief ihr ein eiskalter Schauder über den Rücken. Rasch schob sie den schrecklichen Gedanken beiseite.
Die Geistlichen bedurften zum Glück dieser Unterstützung nicht – wobei sich zeigte, dass der Kardinal über die robustere Konstitution verfügte. Der Domherr schien durch den Hieb auf den Kopf stärker beeinträchtigt zu sein. Wie sich das später auf seinen geistigen Zustand auswirken würde, konnte niemand vorhersagen.
»Verrückt müssen beide schon vor dem Duell gewesen sein«, dachte Magdalena respektlos. Sonst hätten sie es schließlich gar nicht so weit kommen lassen. Falls die Obrigkeit davon erfuhr, würden die Herren eine gewaltige Strafe aufgebrummt bekommen.
Ihr Blick glitt über den ruhig im Bett liegenden Kardinal, dessen Gesicht unter den vielen Wundpflastern kaum auszumachen war. Und so ein Mensch war nun also befugt, an der Wahl zum nächsten Papst teilzunehmen – womöglich würde
er gar selbst dazu ernannt! Ob die Kirche mit solchen Männern jemals aus ihrer Krise herausfinden konnte?
Aber das sollte ihre Sorge nicht sein. Ihre Aufgabe war es, die Duellanten dem Tod noch einmal zu entreißen. Sie hatte das Ihrige dazu beigetragen – aber über den Berg waren beide noch keineswegs. Sie mussten in der nächsten Zeit versuchen, durch spezielle Nahrung die Menge verlorenen Blutes zu ergänzen. Magdalena würde den Leibdiener und den Sekretär des Kardinals entsprechend instruieren.
Was sie erstaunte, war die Tatsache, dass noch niemand aufgetaucht war, der den verschwundenen Domherrn aus Salamanca vermisste. Der Kampf der Rivalen hatte anscheinend an einem Ort stattgefunden, den nur ganz wenige kannten, und der Zeitpunkt war mit Sicherheit so gewählt worden, dass die Abwesenheit des Spaniers zunächst nicht weiter auffiel.
Magdalena verkniff sich jede Frage danach; sie wollte auf keinen Fall unangemessene Neugier an den Tag legen. Ihre Meinung über die bewaffnete Auseinandersetzung wegen eines Frauenzimmers – und mochte dieses noch so begehrenswert sein – hatte sie ohnehin bereits deutlich zum Ausdruck gebracht.
Zu ihrer Verwunderung hatten ihr weder der Sekretär noch der Leibdiener widersprochen. Ohne, dass sie sich danach erkundigte, war Ser Ernesto sogar mit dem Namen der betreffenden Dame herausgerückt. Es handelte sich um eine junge, steinreiche Witwe aus angesehenem schwäbischem Adelshause.
Die Apothekerin hatte nur noch einen Wunsch: Sie wollte heim und sich richtig ausschlafen. Aber daraus wurde wohl vorerst nichts. Als Verantwortliche für die nun friedlich nebeneinander
Schlummernden musste sie wohl oder übel die Nacht über an ihrem Bett Wache halten und jede Regung der Herren beobachten, um sofort eingreifen zu können, falls sich Anzeichen von Komplikationen zeigen sollten.
Zum Glück hatte sie dieses Mal im Franziskanerkloster dafür gesorgt, dass man über ihren Aufenthaltsort Bescheid wusste. Allzu gut erinnerte sie sich noch an die Aufregung, die sie seinerzeit verursacht hatte, als sie zu Papst Johannes gerufen wurde: Sogar die Stadtwache hatte ihr Vetter damals alarmiert …
Dass er sich auch dieses Mal Sorgen um sie machte und sowohl Änneli als auch Betz dazu anhielt, nach ihr Ausschau zu halten, konnte die junge Frau freilich nicht ahnen. Die Hausgemeinschaft verbrachte
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