Das Erbe der Apothekerin - Roman
scheint ja an der Tagesordnung zu sein – davon berichtet mir zumindest mein Vetter, Doktor Zängle, immer. Aber dass die hohen Herren gar mit dem Schwert oder mit einem Dolch aufeinander losgehen?«
»Wie Ihr seht, Jungfer, kommt auch das vor.« Ser Ernesto klang etwas ungeduldig und wies auf die Schwerverletzten:
»Wenn Ihr dann die Güte hättet und Euch um sie kümmern wolltet?«
Entschlossen erhob sich Magdalena. »Ich werde mein Möglichstes tun, sie am Leben zu erhalten. Ob es mir gelingt, liegt jedoch allein in Gottes Hand! Beide haben enorm viel Blut verloren. Dass sie bewusstlos sind, wird mir allerdings die Behandlung erleichtern.«
Magdalena fühlte nach dem Puls der Herren und schüttelte dann zweifelnd den Kopf. »Sie haben noch Leben in sich. Aber das Flämmchen ist winzig – und ich vermag nicht zu versprechen, ob ich es erneut zum Auflodern bringen kann. Ihr solltet lieber beten«, wandte sie sich an Ser Ernesto.
»Und Ihr«, bezog sie den wie angewachsen neben dem Bett stehenden Diener in ihre Anweisungen mit ein, »Ihr könnt mir mehrere Kübel sauberes, abgekochtes Wasser bringen. Die Wunden müssen sorgfältig ausgewaschen und von verkrustetem Blut gesäubert werden. Ich muss wissen, wie tief die Verletzungen sind. Wahrscheinlich werde ich sie nähen müssen. Was eigentlich die Aufgabe eines Baders wäre – aber ich kann es auch machen, sofern Ihr mich ausdrücklich dazu auffordert.«
Letzteres galt wiederum dem Sekretär, der sich beeilte, der Frau, die »nur« Apothekerin war, den Auftrag zu erteilen. »Sollten Euch später die Zünfte Schwierigkeiten machen, könnt Ihr auf mich zählen«, versprach er ihr. »Aber von uns wird niemand etwas erfahren.«
Der Leibdiener, ein jüngerer Mann namens Daniele, war in die Küche hinuntergeeilt, von wo sie hörten, wie er die Mägde herumscheuchte; sie mussten erst in Kannen das nötige Wasser aus dem Brunnen im Hof herbeiholen.
»Das hätten die faulen Dinger schon längst erledigen können«,
schalt Magdalena. »So viel Verstand könnte man auch von schlichten Dienstboten erwarten.«
Zu ihrem Erstaunen ergriff Ser Ernesto die Partei des Küchenpersonals: »Man hat den Leuten gar nicht gesagt, wie schlecht es um ihren Herrn und den anderen Kombattanten steht. Je weniger die Domestiken wissen, umso besser. Gerede ist das Letzte, was mein Herr gebrauchen kann.«
Magdalena unterdrückte eine passende Bemerkung. »Ihr könnt mir inzwischen helfen, die Verletzten zu entkleiden.« Die Apothekerin, die sich mit der Sachlage inzwischen hinreichend vertraut gemacht hatte, sprach in ruhigem und beherrschtem Ton, und der Sekretär tat, wie ihm geheißen. Er half ihr, die Männer vorsichtig umzudrehen und sie behutsam aus den blutigen Kleiderfetzen herauszuschälen, wobei es nicht ausblieb, dass er sein eigenes Gewand beschmutzte.
Die beiden Kirchenmänner, die sich ganz offensichtlich mit Degen duelliert hatten – ein seit langem geächtetes Delikt und von Kaiser Sigismund für die Dauer des Konzils noch einmal ausdrücklich verboten und unter schwere Strafe gestellt –, lagen nun einträchtig nackt Seite an Seite. Die Wundränder der zahlreichen Schnitt- und Stichverletzungen klafften zum Teil weit auseinander. Gott sei Dank hatte der Blutfluss inzwischen fast aufgehört.
»Um der Schamhaftigkeit Genüge zu tun, sollte ich vielleicht für den Kardinal und den Domherrn so etwas wie einen Lendenschurz herbeischaffen«, schlug Ser Ernesto beinahe schüchtern vor. Auch er schien entsetzt über das wahre Ausmaß der Verletzungen.
Magdalena, die inzwischen ihrem Medizinkorb sauberes Verbandsmaterial entnahm und nach Nähgarn und Nadeln kramte, hob den Kopf und blickte den Mann ein wenig verständnislos an.
»Glaubt mir, ich habe während verschiedener Gelegenheiten schon etliche Männer nackt gesehen – aber wenn Ihr meint, dass sich die zwei Herren, falls sie während der Behandlung aus ihrer Ohnmacht erwachen sollten, mit Hosen wohler fühlen – dann tut das nur.«
Sie wandte sich erneut ab und ihrem Korb mit den Salben und Tinkturen zu.
Die Duellanten waren – von ihren Wunden abgesehen – in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung. Sie hatten allem Anschein nach niemals Mangel an Nahrung gelitten und schienen ihre Körper mit Reiten und Fechten in bester Form gehalten zu haben. Beide waren schlank und ziemlich muskulös – bei hohen Kirchenmännern nicht unbedingt die Norm.
»Das Einzige, was eine Heilung verhindern könnte, ist
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