Das Erbe der Apothekerin - Roman
irgendwie krank, meine Liebe?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Das nicht; aber in mir ist eine Unruhe, die ich nicht erklären kann. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich letzte Nacht schlecht geschlafen habe. Macht Euch um Himmelswillen keine Gedanken, Berta. Und vor allem: Kein Sterbenswörtchen zu Herrn Julius!«
Gleich darauf verließ Magdalena endlich das Haus und lief
doppelt so schnell wie sonst, um ihre Verspätung wenigstens etwas wettzumachen. Sie würde sich für ihre Säumigkeit bei Frater Gregor entschuldigen müssen …
In der Klosterapotheke herrschte Hochbetrieb. Viele durchlitten im Augenblick die übliche witterungsbedingte Erkältung, da ein eiskalter Wind durch die Gassen fegte, vor dem man selbst in mancher schlecht beheizten Amtsstube oder Herberge nicht sicher war.
»Das beste Wetter, um sich einen ordentlichen Schnupfen und Husten einzufangen«, brummte Frater Gregor und wies auf die Menschentraube. Bis auf die Straße hinaus standen die Leute an, um sich entsprechende Heilmittel verabreichen zu lassen.
In den nächsten Stunden kam Magdalena nicht mehr zur Ruhe. Beständig war sie am Abwiegen, Mischen und Abfüllen der Teesorten, die am besten bei Erkältung helfen sollten. Das hatte immerhin den Vorteil, dass sie keine Zeit mehr fand, sich um ihre eigene Befindlichkeit zu kümmern.
Erst in der Mittagspause, die sie und Betz wie so häufig in der Klosterküche verbrachten, um dort zusammen mit frommen Pilgern und alten Bettlern eine warme Suppe und ein Stück Brot zu verzehren, fiel Magdalena das merkwürdig ungute Gefühl wieder ein, das sie am Morgen geplagt hatte. Beruhigt stellte sie fest, dass nichts davon übrig geblieben war.
Arbeit war einfach die beste Ablenkung von trüben Gedanken, stellte die junge Frau nicht zum ersten Male fest. Als sie in den Verkaufsraum zurückkehrte, sah sie, dass bloß noch ein einziger Kunde da war. Allerdings einer, auf den sie gut und gerne hätte verzichten können.
Obwohl ihr Hannes Schwertle, der wichtigste und reichste
Hurenwirt von Konstanz, stets mit Achtung begegnet war, kannte sie seine wahre Einstellung zu Frauen. Was er sich als Gewerbe ausgesucht hatte, mochte ja von Kirche und weltlicher Obrigkeit nicht nur geduldet, sondern sogar begrüßt werden – sie selbst fand es schändlich von einem Mann, sich am »Sündengeld« gefallener Mädchen zu bereichern.
»Was heißt das schon, dass er die Frauen angeblich beschützt? «, dachte sie abfällig. »Genauso wahr ist auch, dass er streng darauf achtet, dass ihm ja keine Dirne, die noch ansehnlich genug ist, um Freier anzulocken, davonläuft. Er beutet die Huren schamlos aus, solange noch ein Mann bereit ist, für sie zu bezahlen. Und will ein Mädchen gar heiraten, verlangt er von ihrem Bräutigam eine solch horrende Summe als Entschädigung, dass es eine Schande ist.«
Magdalena hatte überdies nicht nur einmal Klagen der Betroffenen gehört, dass Schwertle – der bekanntlich beim Kaiser in hohem Ansehen stand – sich keineswegs schämte, Hübschlerinnen, die seiner Ansicht nach faul waren, gnadenlos zu verprügeln …
Irgendwann würde sie dem sauberen Herrn noch ihre Meinung sagen, nahm sie sich vor. Da Frater Gregor und die anderen beiden Klosterbrüder mit Betz im angrenzenden Laboratorium beschäftigt waren, blieb ihr für heute jedoch nichts anderes übrig, als den widerlichen Kunden zu bedienen.
»Guten Tag wünsche ich Euch, schöne Rose von Konstanz«, begrüßte der Hurenwirt sie galant. Magdalena musste an sich halten, um ihren Unwillen nicht zu sehr zur Schau zu stellen.
»Womit kann ich Euch dienen, Hannes Schwertle?«, fragte sie ihn kurzangebunden. Er sollte ruhig merken, dass ihr an seinem Süßholzraspeln nichts lag.
»Oho! So förmlich, schöne Frau?«
»Dies ist eine Apotheke, wie Ihr sicherlich wisst! Und meine Aufgabe ist es, Euch zu beraten, Euch Arzneien zu empfehlen und gegebenenfalls zu verkaufen. Dafür bezahlen mich die Fratres – und nicht für leeres Geschwätz«, konnte Magdalena sich nicht verkneifen, ihm zu entgegnen.
Das saß. Schwertle schluckte. Sein Gesicht lief rot an, und der Blick seiner wässerigen Augen wurde tückisch. Instinktiv fühlte Magdalena seine Wut, und es überlief sie ein Frösteln. Womöglich war sie zu harsch gewesen. Sie musste sich beherrschen, denn Schwertle war ein einflussreicher Mann, dem alles zuzutrauen war …
Es stellte sich heraus, dass zwei seiner »Mannsräuschlein« – eine ganz junge und eine etwas
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