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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Situationen und Stellungen zeigten, die die Kirche als Todsünde anprangerte, waren keineswegs von Meistern der Malkunst angefertigt worden, sondern von kümmerlichen Dilettanten. Das Kostbarste daran waren vermutlich noch die vergoldeten Rahmen.
    Diese Gestalt gewordene Illusion erschien ihr irgendwie passend. In einem Hurenhaus war alles Talmi: Genauso wenig wie die Gefühle der Huren für ihre Freier echt waren, war es die Ausstattung des Bordells.
    Allmählich wurde die junge Frau von Unruhe erfasst. Wo blieb denn der Edle mit den schmerzenden Augen? Vermutlich war das Ganze gar nicht so schlimm, und der Herr wollte zuerst in aller Ruhe für den Obolus, den er entrichtet hatte, von einer der willigen Dirnen bedient werden …
    »Wenn er nicht bald auftaucht, gehe ich«, nahm Magdalena sich vor. Da näherten sich schwere Männerschritte auf dem Flur, und gleich darauf wurde die Tür mit Schwung geöffnet.
    »Ah! Da seid Ihr ja schon, meine Schöne!«
    Mit bemerkenswerter Eleganz riss der Eintretende sich seinen breitkrempigen Hut vom Kopf, warf ihn achtlos in eine Ecke und machte Anstalten, sein Wams abzulegen.
    Magdalena verschlug es die Sprache.
    »Dich habe ich hier noch nie angetroffen, mein hübsches Kind. Du bist wohl ein Neuzugang Schwertles? Sehr schön! Falls ich mit dir zufrieden bin, werde ich dich ab sofort immer verlangen. Das heißt, für die kurze Zeit, die ich noch in
dieser Stadt verbringen werde. Lass dich einmal genauer betrachten, Liebchen.«
    Der Herr warf sich neben sie auf das Bett und griff nach ihr. Magdalena aber entwand sich flink den zupackenden Händen Sigismunds – denn es handelte sich tatsächlich um keinen Geringeren als den Kaiser.
    Ihr kam die Situation recht vertraut vor, hatte sie Ähnliches doch mit dem ehemaligen Papst Johannes erlebt. Aber dieses Mal war sie älter – und gelassener. Außerdem musste sie in einem Bordell immer damit rechnen, dass man auch sie für eine Hure hielt.
    Die Apothekerin brachte sich geschwind in Türnähe in Sicherheit. Offen sah sie dem kaiserlichen Freier, der hier wie üblich sein kostenfreies Vergnügen suchte, ins Gesicht und machte dem Herrscher deutlich, wer und vor allem was sie war:
    »Hannes Schwertle hat mich, die Jungfer Magdalena Scheitlin, gebeten, mir die entzündeten Augen eines Herrn anzusehen. Ich nehme an, dieser Herr seid Ihr, Majestät. An der starken Rötung kann ich selbst auf diese Entfernung hin erkennen, dass Ihr Eure Augen durch irgendeinen Gegenstand verletzt haben müsst.«
    »Ach, Ihr seid eine Medica?«
    Verblüfft musterte der Herrscher die junge Frau von oben bis unten. Inzwischen hatte er sich von dem mit Spitzenkissen überfrachteten Lotterbett erhoben und starrte sie neugierig an. Besonders verlegen schien er Magdalena nicht zu sein …
    »Ich bin Apothekerin im Kloster der Franziskaner«, stellte sie sich vor und knickste dabei vor dem Kaiser.
    »Ach? Seid Ihr gar die berühmte Rose von Konstanz?«
    »Ja, Herr! So belieben mich die Leute zu nennen. Aber
nun lasst mich nach Euren Augen sehen, Herr Sigismund. Wenn Ihr die Güte hättet, Euch zum Fenster zu begeben? Dann kann ich besser erkennen, wie schlimm es wirklich ist, Eure Hoheit.«
    Als sie dicht vor dem Kaiser stand, klopfte ihr Herz gewaltig. Er war in der Tat ein ausnehmend gut aussehender Mann. Nicht mehr jung, aber sehr angenehm anzusehen, trotz seiner grauen Haare und des graublond gesprenkelten Bartes. Für den Bruchteil eines Augenblicks ging ihr der sündhafte Gedanke durch den Kopf, was wohl geschehen wäre, wenn sie den Irrtum nicht aufgeklärt hätte …
    Rasch schob sie diese gedankliche Verirrung beiseite und stellte sich auf die Zehenspitzen, um dem Herrscher in die blauen Augen sehen zu können, die jetzt allerdings entzündet und feuerrot waren.
    »Ich glaube Euch, dass Ihr starke Schmerzen habt, Majestät. Wie ging es zu, dass beide Augen gleichermaßen betroffen sind?«
    »Ich war unvorsichtig und habe mich meinem Gaul von hinten genähert, ohne auf seinen Schwanz zu achten. Das Biest hat den Schweif hoch in die Luft geschleudert, und dabei trafen mich die harten Rosshaare im Gesicht und in den Augen. Im ersten Augenblick dachte ich, ich erblinde.«
    »Das wird mit Sicherheit nicht geschehen, Herr! Das Ganze wird noch eine Weile wehtun, aber soweit ich es beurteilen kann, habt Ihr Glück gehabt. Ein spitzer, harter Gegenstand im Auge wäre weitaus schlimmer. Ich habe eine Tinktur aus Augentrostblättern dabei, mit der Ihr dreimal am

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