Das Erbe der Apothekerin - Roman
Eminenz etwa dafür bekannt sei, die Gäste seines Herrn zu vergiften, und der Kardinal deshalb eine Heilerin an seine Tafel gebeten habe, um die Erkrankten gleich medizinisch versorgen zu lassen.
Das und ein Gläschen köstlichen Weins bewirkten sogleich eine gelöste Stimmung. Magdalena, normalerweise etwas schüchtern in so vornehmer Umgebung, konnte dieses Mal der Versuchung nicht widerstehen und ergriff die Gelegenheit, um die Geschichte zum Besten zu geben, wie sie einst
die Bekanntschaft von Papst Johannes XXIII. gemacht hatte. Die pikanten Details ließ sie allerdings weg.
Der darauffolgende Ausbruch von Gelächter bei den Herren wollte schier nicht enden, und »Donna Maddalena« war endgültig von allen akzeptiert. Den dicken Cossa und seine Verlegenheit, als er bemerkte, dass ihm sein Diener die falsche Frau gebracht hatte, vermochte sich ein jeder überaus gut vorzustellen.
Das angeblich bescheidene Essen war köstlich. Es gab geräucherte Forellen aus der Argen als Vorspeise, danach ein Ingwersüppchen, gefolgt von mit Hasenleber und frischen Feigen gefüllten Wachteln, von denen manche der Herren ein halbes Dutzend und mehr verspeisten – der Hausherr selbst schaffte fünf der leckeren Vögel.
Der Nachtisch war ebenfalls ein echter Gaumenschmaus: Warme braune Törtchen aus saftigem Honigkuchenteig, überzogen mit weißem, mit Zitronensaft versetztem Zuckerguss, gefüllt mit einer Creme aus in Alkohol eingelegten Waldbeeren und steif geschlagener Sahne.
Vier verschiedene Sorten von Weinen hatte der Kardinal dazu servieren lassen, und als Abschluss gab es im Wasserbad erhitzten Branntwein für jeden – zur besseren Verdauung. Auf letzteren verzichtete die Apothekerin. Sie hatte schließlich noch zu tun: Sie musste die Narben ihres Gastgebers inspizieren. An der Tafel war inzwischen etwas Ruhe eingekehrt. Alle waren satt, zufrieden und entsprechend träge.
Nach einer Weile wandten sich die Tischgespräche dem neuen Pontifex Maximus zu, und jedermann tat erstaunlich ungeniert seine Meinung kund.
»Kaum sind die Feierlichkeiten abgeschlossen, zeigt sich, dass unser neues Oberhaupt der Kirche durchaus kein Anhänger von Reformen ist. Die Änderungen, die Martin V.
wichtig sind, scheinen rein äußerlicher Natur und beschränken sich im Wesentlichen auf den Lebenswandel der Geistlichen, der in der Tat bei vielen skandalös ist.«
Diese Bemerkung stammte tatsächlich von Kardinal Sabattini. Er äußerte den Tadel, ohne rot zu werden. Hielt er sich etwa für einen Heiligen? Beinahe hätte Magdalena laut aufgelacht.
»Dazu macht der Papst sich Gedanken über die Tonsur bei den Mönchen und über das Benehmen der Prälaten in der Öffentlichkeit«, äußerte einer der beiden Geistlichen, der auffallend eifrig dem Wein zusprach. Er erregte damit große Heiterkeit. Es klang aber auch nach einem schlechten Scherz, wenn die geforderte »Reform der Kirche an Haupt und Gliedern« sich in Wahrheit auf die Haarschöpfe von Klosterbrüdern und den Gebrauch von Schimpfwörtern bei Geistlichen reduzieren sollte.
»Aber das Verbot der Simonie, also des Ämterkaufs, will er zumindest erneuern«, warf Ritter Bodman ein.
Auch er erntete bloß Gelächter. »Reine Augenwischerei«, war die einhellige Meinung. Das zu fordern, klang nur gut und würde den Papst nichts kosten.
Wer sollte die Einhaltung des Verbots schon überwachen?
Magdalena erinnerte sich unwillkürlich an Zängles prophetisch klingende Worte, nachdem klar war, dass die Konzilsväter mehr oder weniger nur eitle Karrieristen waren. Resigniert hatte er bereits zu Beginn vorhergesagt, dass letztlich alles beim Alten bliebe.
In seinen Augen war lediglich eines der drei hehren Ziele des Konzils erreicht worden, nämlich die Wahl eines einzigen Papstes und die Absetzung der Gegenpäpste, womit die Causa Unionis beigelegt war.
Bereits in der zweiten Frage, der Causa Reformationis,
war jedoch außer vagen Absichtserklärungen, fromm klingenden Ermahnungen und etlichen Denkschriften verschiedener Kommissionen wenig herausgekommen.
Und was erst die Causa Fidei, die Glaubensfrage, anlangte, so schien sich in diesem Punkt nicht einmal der kleinste Ansatz zu einer gemeinsamen Lösung zu finden. Die Konzilsväter begnügten sich damit, die Lehren Wyclifs zu verdammen und den Magister Jan Hus zu verbrennen.
Der alte Schlendrian und die schlimmen Unsitten in der Kirche würden weiter um sich greifen, die Gläubigen würden der Kirche in Scharen davonlaufen und
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