Das Erbe der Apothekerin - Roman
schließen, drangen die Geräusche aus dem im Erdgeschoß liegenden Salon des Bordells in voller Lautstärke herein. Allmählich hatte Magdalena genug von dieser Umgebung! Den Henkel ihres Korbes fest umfassend, machte sie Anstalten, sich an dem Mann vorbeizuquetschen und aus dem Zimmer zu flüchten.
»Halt! Wowo willst du denn hihin, Kleine?«
Dem Freier entfuhr ein lauter Rülpser. Es gelang ihm dieses Mal, sich in ihrem Rock festzukrallen, ehe er der Länge nach hinschlug.
»Was fällt Euch eigentlich ein? Ich bin nicht Eure Kleine!«, fauchte Magdalena und schlug dem zudringlichen Kerl auf die Finger, damit er ihr Kleid losließ. Der dachte jedoch gar nicht daran.
»Aua!«, schrie er wehleidig, um gleich darauf zornig zu protestieren: »Iich hab’ dafür bebezahlt, du Weibsbild. Und ninicht zu knapp!«
»Das kümmert mich nicht! Ich bin keine von Schwertles Hübschlerinnen, zum Donnerwetter! Wollt Ihr jetzt wohl mein Gewand loslassen?«
»Du du bist keikeine vovon den Huhuren?«
»Himmel noch mal, nein! Ich bin Apothekerin und habe einem Besucher etwas gegen seine Augenschmerzen gebracht. Lasst mich endlich gehen!«
Aber der Herr hatte offenbar Angst hinzufallen, sobald er seinen Griff lockerte. »Hehelft mir, mimich auf das Bett zu setzen, Jungfer«, bat er. »Ich dedenke, ich sollte mich auausruhen. «
Die junge Frau sah keinen Grund, ihm diesen Gefallen zu verweigern. Sie ließ ihren Korb los und fasste den Herrn, der nur um ein Weniges größer war als sie, um die Schultern, welche eine dunkelblaue, mit silbernen Ornamenten bestickte Samtjacke umspannte.
Dass der Mensch offenbar anderes im Sinn hatte, als sich friedlich auf dem Lager niederzulassen und seinen Rausch auszuschlafen, erkannte Magdalena erst, als der Unbekannte sie mit erstaunlicher Gewalt aufs Bett warf und sich regelrecht auf sie stürzte.
»Ha! Schönste aller Schönen, jetzt gehörst du mir!«
Auf einmal stotterte er gar nicht mehr. Zielbewusst wollte er beginnen, ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Magdalenas Lage war denkbar schlecht. Die Türen der einzelnen Gemächer waren aus dicken Bohlen gefertigt, um kein Geräusch nach draußen dringen zu lassen. Schwertles Freudenhaus war bekannt für seine Diskretion – nicht umsonst war er der Hurenwirt für die vornehme und edle Kundschaft.
Unten im Saal fand noch immer ein Tanzvergnügen mit lauter Musik statt, und ob man hören konnte, wenn im Oberstock jemand um Hilfe rief, war sehr zweifelhaft. Dennoch beschloss die junge Frau, einen Versuch zu wagen. Immerhin stand die Tür des Zimmers, in dem sie der Freier jetzt massiv bedrängte, noch offen. Außerdem hatte sie keine Wahl: Der Mann war viel stärker als er aussah und ihr drohte ernsthaft Gefahr.
Zumindest gelang es ihr, ihm mit ihren Fingernägeln durchs Gesicht zu fahren und ihm die Haut auf der Nase und an der Stirn böse zu zerkratzen. Dabei schrie sie aus Leibeskräften um Hilfe.
»Heilige Muttergottes«, flehte sie dabei stumm, »mach, dass jemand mich rechtzeitig hört und von diesem Untier befreit. Der Schurke versucht tatsächlich, mich zu erwürgen! « In der Tat hatte der Freier ihr seine sehnigen Hände um den Hals gelegt und drückte fest zu. Schreien konnte sie so kaum noch.
Von unten drangen weiterhin die Musik und das Gekreische und Gelächter der Huren und ihrer Galane herauf. Magdalena glaubte, im Gewirr der Stimmen diejenige des Hurenwirts zu erkennen, der seine Gäste aufforderte, sich ja gut zu amüsieren.
Auch der Mann, der beabsichtigte, ihr Gewalt anzutun, hatte offenbar Schwertles Stimme gehört.
»Jawohl, Hannes! Amüsieren will ich mich auch«, grunzte er und ohrfeigte brutal die hilflos unter ihm Liegende. Magdalena drohten die Sinne zu schwinden.
»Nein! Nein!«, dachte sie panisch. »Ich darf das Bewusstsein nicht verlieren, sonst hat das Schwein leichtes Spiel.«
Wenigstens würgte er sie jetzt nicht mehr, presste ihr jedoch eine Hand auf den Mund, um sie am Schreien zu hindern.
Instinktiv nutzte Magdalena die Gelegenheit und ließ ihre Zähne um einen seiner Finger an der rechten Hand zuschnappen. Mit aller Kraft biss sie zu. Gleich darauf schmeckte sie Blut.
»Verfluchtes Biest!«, heulte ihr Peiniger auf und holte aus, um ihr mit der linken Faust einen Schlag zu verpassen, der sie wohl endgültig außer Gefecht setzen sollte.
Magdalena schloss die Augen in angstvoller Erwartung dieses Hiebs, der ihr die Besinnung rauben würde. Ihre Kiefer öffnete sie dennoch nicht. Sie spürte,
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