Das Erbe der Apothekerin - Roman
woran ist Renata gestorben, Konrad? Zum Sterben war sie doch noch viel zu jung. Gewiss erlag sie einer Seuche?«
»Nein, Lena. Der Anlass war ein ganz banaler: Ein Wespenstich im Mund hat sie getötet. Gaumen, Zunge und Luftröhre schwollen in kürzester Zeit an, und sie bekam keine Luft mehr.«
»Oh mein Gott! Dann ist deine arme Frau elend erstickt! Wie furchtbar!« Magdalena bekreuzigte sich instinktiv.
»Ja! Friede ihrer armen Seele. Möge sie in der Ewigkeit das Glück erleben, das sie auf Erden so verzweifelt suchte. Bei mir konnte sie es leider nicht finden.«
Beschämt senkte Konrad sein Haupt. Gleich darauf richtete er sich auf und nahm die junge Frau an der Hand.
»Lass uns rasch dieses Haus verlassen, Lena. Ich denke, wir haben einander viel zu erzählen.«
KAPITEL 52
KONRAD FÜHRTE SEINE ehemalige Braut hinaus aus der Stadt, in die Nähe des »Konzils«. Hier am Ufer des Kostritzer Sees fanden sie zwischen dem niedrigen Weidengebüsch ein stilles Plätzchen, fern von allen Menschen. Die letzten Strahlen der Abendsonne spendeten ein wenig Wärme, und Konrad zog seinen Umhang aus und breitete ihn auf dem Sandboden aus, damit Magdalena sich das Kleid nicht beschmutzte.
»Setz dich ruhig neben mich«, bat die junge Frau. »Dein Mantel ist groß genug für zwei. Und dann lass uns endlich miteinander reden.«
Sie wusste allerdings selbst nicht so recht, wie sie das Gespräch beginnen sollte, war sie doch viel zu aufgewühlt und von ihren Gefühlen überwältigt.
»Ja! Allerdings hätten wir das wohl besser bereits damals getan«, stellte Konrad grimmig fest. »Die dazwischenliegende Zeit hätten wir uns wahrlich ersparen können.«
Die Apothekerin entnahm diesen Worten mit freudigem Erschauern, dass ihr ehemaliger Bräutigam auch sein Versagen einsah und nicht nur bei ihr die Schuld suchte. Und dass er offenbar gewillt war, da wieder anzuknüpfen, wo ihre Verbindung einst zerbrochen war … Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Hoffentlich täuschte sie sich nicht! Hatte sie doch niemals aufgehört, ihn zu lieben.
Wie im Traum kam es ihr vor, als Konrad sie in die Arme nahm, eng an seine Brust zog und sie endlich – nachdem er ihr erst eine Weile ganz tief und forschend in die Augen gesehen hatte – küsste. Erst war es nur wie ein zärtliches Erkunden ihrer Lippen durch seinen Mund, ehe sein Kuss leidenschaftlich wurde, bis ihr vor Lust beinahe die Sinne schwanden.
Eine kleine Ewigkeit danach löste sich Konrad von ihr. Er atmete tief ein. »Wie oft habe ich das während meiner Ehe in meinen Träumen erlebt, meine Geliebte! Und beim Erwachen hatte ich Renata gegenüber jedes Mal ein schlechtes Gewissen.«
»Ich denke, dass sie sich freuen würde, wenn sie wüsste, dass du jetzt deine wahre Liebe wiedergefunden hast, Konrad. «
»Habe ich das wirklich, mein Schatz?«
Es klang ängstlich. So, als könne er noch gar nicht wirklich an sein Glück glauben.
»Ja, das hast du, Liebster!«, erklärte Magdalena bestimmt,
und sie wusste plötzlich, dass es richtig war, was sie taten. »Ich habe beinahe jeden Tag mit großer Sehnsucht an dich gedacht. Als dein Vater mir von deiner Heirat erzählte, war ich todtraurig und zutiefst unglücklich. Mein Oheim Mauritz …«
»Ich weiß«, unterbrach Konrad sie. »Nach Renatas Tod hat mein Vater Albrecht mir endlich die Wahrheit gesagt. Ich weiß inzwischen von der infamen Intrige deines Vormunds und von deiner Suche nach mir, bei der dir dein Vetter Rolf Reichle zu helfen bestrebt war. Und von Gertrude ist mir bekannt, auf welche Weise dieser wackere Mann ums Leben kam! Du hast Schreckliches durchgemacht, meine Liebste.«
Erneut küssten sie einander.
»Aber das Unglück hat nun ein Ende für uns beide.« Konrad Grießhaber sagte dies ganz bestimmt. »Nie mehr werde ich meinen Fuß in Schwertles Haus setzen, sondern meine geliebte Braut – wenn auch mit einiger Verspätung – endlich heimführen! Und du, Geliebte, wirst die Apotheke und das Haus deines Vaters in Besitz nehmen, in dem sich Mauritz breitgemacht hat. Margret hat ihn übrigens verlassen. Sie ist zu ihrer Schwester nach Aulendorf geflohen, nachdem ihr Ehemann sie wieder einmal geschlagen hatte. Bertwin, sein Sohn, ist ebenfalls schon längere Zeit fort aus Ravensburg. Er hat sich angeblich den aufständischen schweizerischen Eidgenossen angeschlossen und gilt als verschollen.«
Das musste Magdalena erst einmal verdauen. Die liebe Tante Margret würde sie womöglich nie mehr wiedersehen
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