Das Erbe der Apothekerin - Roman
überhaupt gesehen zu haben.
»Nein, nein! Bei meiner Seligkeit! Die Magdalena war lange nicht hier, das schwöre ich«, behauptete sie tapfer und lief dabei rot an. Auch die befragten Domestiken blieben solidarisch, stellten sich dumm und gaben vor, überhaupt nichts über die betreffende Jungfer zu wissen – außer, dass sie für einige Zeit ins Kloster gegangen sei.
Beinahe wäre auch alles gutgegangen, wenn nicht im letzten Augenblick, als die enttäuschten Knechte sich bereits zum Gehen gewandt hatten, der neue Herr des Hauses aufgetaucht wäre. Kaum hatte er erfahren, aus welchem Anlass die Männer hier waren, plusterte er sich mächtig auf.
»Wurde auch Zeit, dass endlich jemand auftaucht und das unselige Mensch wieder einfängt!«, schrie er durch den Hof in einer Lautstärke, dass man es bis auf die Gasse hinaus hören konnte. »Was sind denn das für Sitten, dass man ein junges Weibsbild, das fürs Kloster bestimmt ist, einfach so davonspazieren
lässt? Schließlich habe ich für ihren Aufenthalt dort bezahlt – und nicht zu wenig.«
Sichtlich erschrocken über den unerwarteten Angriff, versuchte der Anführer der Gruppe, den Zorn des aufgebrachten Vormunds zu beschwichtigen: »Dafür können wir nichts, Herr! Sankt Marien am See ist schließlich kein Gefängnis, wo jede einzelne Insassin streng bewacht wird. Wer bei uns lebt, Herr, tut das im Allgemeinen freiwillig. Außerdem ist es keine Seltenheit, dass Nonnen das Kloster verlassen, etwa um Kranke, die nicht selbst gehen können, in den umliegenden Dörfern zu besuchen, oder weil sie in den Wäldern Heilpflanzen suchen.«
»Das mag ja sein! Aber dennoch ist es eine Schande, dass mein Mündel unbehelligt bis nach Ravensburg und zu mir gelangen konnte, ohne dass ihr sie vorher erwischt habt, ihr nutzlosen Kerle!«, wetterte Mauritz Scheitlin weiter.
»Dann war sie also doch hier?«, hakte der Sprecher des Suchtrupps sofort nach.
»Ja, natürlich! Hat mein Weib euch das nicht gesagt?«
Mit giftigem Blick wandte er sich an Margret, der man ansah, dass sie sich am liebsten in einer Bodenritze verkrochen hätte.
»Ich hab’ nur gesagt, dass ich gar nichts weiß«, stammelte die Unglückliche, die sich gehörig vor der nächsten Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann fürchtete. »Mir sagt ja keiner was«, versuchte sie wenig überzeugend sich herauszuwinden.
»Ich habe sie natürlich rausgeworfen, das unverschämte Geschöpf! Mit so einer will ich nicht gemeinsam unter einem Dach leben!«, behauptete der Hausherr großspurig. »Soll sie doch auf der Gasse verrecken, wenn sie nicht bei den Nonnen bleiben will!«
Margret bekreuzigte sich hastig, und die vier Klosterknechte taten es ihr gleich. Dieser Mann musste ja einen furchtbaren Groll gegen das junge Mädchen hegen …
»Wo könnte sie denn jetzt sein, Herr?«, erkundigte sich der wortführende Knecht ruhig. »Die Stadt hat sie zwar betreten, aber offenbar noch nicht wieder verlassen. Irgendwo muss sie also Aufnahme gefunden haben.«
»Keine Ahnung, in welchem Schuppen sie sich verkriecht! Es ist eure Aufgabe, ihr Kerle, sie aufzuspüren.«
In diesem Augenblick waren aus dem oberen Stockwerk unsichere Schritte und das Tappen eines Gehstocks zu hören.
»Mutter!«, schrie Mauritz boshaft und wandte sich halb um, »habt Ihr etwa von Magdalena etwas gehört oder gesehen?«
»Ich bin eine alte Frau, die ihre Wohnung kaum noch verlässt. Mir erzählt keiner etwas, ich weiß von gar nichts«, entgegnete die Großmutter geistesgegenwärtig, und die Klosterknechte sahen keinen Grund, ihr, einer ehrbaren Greisin, zu misstrauen.
»Viel Glück beim Suchen!«, rief Mauritz Scheitlin den Männern hämisch nach. »Hoffentlich wird das freche Luder auch ordentlich bestraft, sobald es wieder hinter Schloss und Riegel ist!«
Gleich darauf ging über Margret ein Donnerwetter ihres Mannes hernieder, das seinesgleichen suchte. Ernsthaft erwog seine Frau dieses Mal, ihn für immer zu verlassen.
Er nahm zwar Abstand davon, sie zu verprügeln, aber die Zurückhaltung war lediglich der Allgegenwärtigkeit der Dienstboten geschuldet, die sich ständig durch das große Haus bewegten, mit Sicherheit alles mitbekämen und für die Verbreitung in der Stadt sorgen würden.
Dass Männer ihre Frauen zur rechten Zeit körperlich züchtigten,
wenn diese »es verdienten«, war allerdings durchaus Brauch; aber Margret galt allgemein als derart sanftes und gutes Eheweib, dass Mauritz keinesfalls mit Beifall rechnen
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