Das Erbe der Apothekerin - Roman
arbeiten zu dürfen, kränkt meinen Sohn natürlich, und er sucht sich lieber Arbeit im Ausland, wo man nicht danach fragt, wer sein Vater ist.«
Obwohl Magdalena – wie alle Bürger Ravensburgs – auch schrecklich gerne gewusst hätte, wer Rudolfs unbekannter Erzeuger eigentlich war, hätte sie es doch niemals gewagt, danach zu fragen …
KAPITEL 12
MAGDALENAS ABREISE VERZÖGERTE sich um etliche Wochen. So schnell warf Mutter Notburga die Flinte nicht ins Korn: Noch wochenlang später streiften Klosterknechte durch die Gegend und befragten jeden nach der »flüchtigen Novizin Magdalena Scheitlin«. Die Geduld der jungen Frau wurde auf eine harte Probe gestellt – befürchtete sie doch, der Vorsprung Konrads sei inzwischen viel zu groß, um ihn noch einholen zu können.
Dass diese Befürchtung gänzlich überflüssig war, erfuhr sie erst nach einer Weile. Großmutter Elise ließ ihrer Verwandten Gertrude auf Umwegen mitteilen, der Warenzug der Ravensburger Kaufmannschaft sei zwar längst über alle Berge, Konrad Grießhaber hielte sich jedoch immer noch auf schwäbischem Boden, nämlich in Dornbirn, auf.
Der Gesundheitszustand seiner Gemahlin Renata erlaube einstweilen keine Fortsetzung der Reise. Auf eine vorübergehende Besserung folgten stets Rückschläge ihres Befindens, und ihr junger Ehemann wage es nicht, ihr die Strapazen einer Weiterfahrt zuzumuten.
In der Tat stand es nicht allzu gut um Renata.
»Lasst mich hierbleiben und reitet dem Warenzug hinterher«, bat die Kranke ihren Ehemann mehrmals. Aber Konrad brachte es nicht übers Herz, seine Angetraute allein zurückzulassen. Wenn er sie auch nicht liebte, achtete er sie doch sehr und fühlte sich für die hilflose Frau verantwortlich.
Er war auch dagegen, sie von Knechten in seine Heimatstadt zurückbringen zu lassen. Nicht, dass er seinem Vater Albrecht misstraut hätte – korrekt, wie der Alte war, würde er alles für seine Schwiegertochter tun. Aber er hatte das
ebenso naive wie diffuse Gefühl, solange er selbst, strotzend vor Gesundheit und jugendlicher Frische, an Renatas Seite ausharrte, hätte der Sensenmann keine Gewalt über sie …
Als Magdalena von den Verzögerungen der Reise erfuhr, atmete sie auf. Noch bestanden also gute Aussichten, ihren Geliebten rechtzeitig zu finden – auch wenn ihre Vorstellungen davon, wie ihr Zusammentreffen sich gestalten würde, nach wie vor wenig konkret waren. Renata klammerte sie dabei aus ihren Gedanken völlig aus.
An einem wunderschönen Maientag des Jahres 1414 machte sich die kleine Reisegruppe, bestehend aus Rudolf Reichle, Magdalena Scheitlin, alias Ragnhild Germundstochter, alias Katharina Burgauer, sowie zwei bärenstarken, zuverlässigen Knechten, auf den Weg.
Der Planwagen besaß einen doppelten Boden, und dieser Hohlraum war vollgeladen mit Armbrüsten, deren Reichweite und Durchschlagskraft der junge Schmied wesentlich verbessert und deren Handhabung er überdies um etliches erleichtert hatte. Außerdem führten sie Modelle von Kanonen und Feldschlangen mit, die der junge Mann den ausländischen Interessenten präsentieren wollte, sowie unverderbliche Lebensmittel, Decken und Kleidungsstücke für alle möglichen Gelegenheiten und Witterungen.
»Im Gebirge kann das Wetter jederzeit umschlagen«, warnte Rolf, und Magdalena packte die Reisetruhen voll mit warmen Unterröcken und wollenen Umschlagtüchern, obwohl die Sonne bereits jetzt tagsüber unangenehm heiß vom Himmel brannte. Auch feste Stiefel hatte der Vetter für sie besorgt.
»Mit den feinen Seidenschühchen seid Ihr auf der Reise
durch die Berge falsch beraten«, grinste er. »Nach ein paar Metern sind von den Dingern nur noch Fetzen übrig.«
Auf anderes hatte die kluge Gertrude noch gedrungen: Eine kleine Truhe voll mit Kindersachen und Windeln legte sie Magdalena ans Herz. »Was du dabei hast, Lena, musst du nicht erst mühsam erwerben. Du weißt ja nicht, an welchem Ort du niederkommen wirst, Kind. Nimm auch die zwei Packen Handtücher und die Bettlaken mit!«
Und sie nötigte der unerfahrenen werdenden Mutter mehrere Stapel feinster, weicher Schafwolltücher auf, dazu Laken aus Leinen, Kissen und Decken, eine Matratze, und jede Menge an Kräutern, Tees, heilsamen Säften und Salben und, und, und …
Am Ende war der Wagen so vollgepackt, dass Rudolf lachend protestierte: »Nun ist es aber genug! Mehr als zwei Zugtiere plus zwei Ersatzmaultiere will ich eigentlich nicht mitnehmen. Außerdem sind wir zu
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