Das Erbe der Apothekerin - Roman
Menge Gedanken gemacht, Vetter«, wunderte sich Magdalena, war jedoch erfreut darüber.
»Es ist schließlich nicht meine erste Reise nach Italien.« Der junge Mann tat dabei sehr bescheiden – hatte er doch bereits drei Reisen nach Italien, eine davon bis nach Sizilien, hinter sich gebracht sowie zwei nach Südspanien und eine nach Frankreich. Seine beiden letzten hatten ihn bis nach Norwegen hinauf geführt.
»Wir werden Euch verschiedene Papiere besorgen«, fuhr ihr Vetter eifrig fort. »Als Magdalena Scheitlin kämt Ihr vermutlich nicht allzu weit. Solange wir uns in deutschen Landen aufhalten, werdet Ihr Euch als eine entfernte Verwandte meiner Mutter ausgeben, die aus Norwegen stammt und eines Gelübdes wegen nach Rom reisen will.«
»Herr im Himmel! Aus Norwegen? Ich kann kein Wort Norwegisch und über dieses Land weiß ich überhaupt nichts«, protestierte das junge Mädchen erschrocken.
»Dafür werdet Ihr einen guten Lehrer an mir haben.« Rudolf lachte fröhlich, und seine Augen blitzten vor Unternehmunglust. »Ihr werdet staunen, was ich Euch, Jungfer Ragnhild, Tochter des Germund aus Bergen, innerhalb weniger Tage alles beibringen kann, bis die Luft rein ist und wir von Bütteln unbehelligt losziehen können.
Wenn wir uns auf eidgenössischem Boden befinden, solltet Ihr besser Eure Tarnung noch beibehalten, aber sobald wir in Italien sind, mögt Ihr andere Papiere benützen, wenn Ihr wollt. Ihr könnt Euch dann wieder in eine deutsche Jungfer zurückverwandeln, die ihren Vetter auf einer Reise nach Italien
begleitet, um zu ihrem Bräutigam zu gelangen – was ja nicht einmal gelogen ist.«
»Obwohl dieser Bräutigam inzwischen mit einer anderen verheiratet ist«, warf Magdalena bitter ein. »Und ohne auch nur eine Sekunde die Behauptungen meines Oheims anzuzweifeln! «
Darauf ging der junge Waffenschmied jedoch nicht ein und fuhr stattdessen fort:
»Ich rate Euch dazu, sicherheitshalber in Italien zwar einen deutschen, aber dennoch einen anderen Namen als Euren eigenen zu benützen.«
»Da wüsste ich schon einen geeigneten«, unterbrach Gertrude ihren Sohn. »Wie wäre es mit Katharina Burgauer? Eine Familie dieses Namens – mit den Scheitlins verwandt – sitzt seit Anfang unseres Jahrhunderts in Lindau, nachdem sie seit über hundert Jahren in Kempten und St. Gallen sesshaft war. Ich denke, damit wärest du, mein Kind, für die Oberin Notburga für alle Zeiten unauffindbar – mag sie ihre Spione auch bis nach Italien aussenden.«
Magdalenas Miene hellte sich sichtlich auf. Dank Rudolf und Gertrude zeigte sich immerhin ein Lichtstreif am Horizont. Das Wichtigste für den Augenblick schien, dass sie nicht mehr allein war und Begleitung hatte auf ihrer abenteuerlichen Fahrt nach Italien – deren Ausgang ungewiss war.
»Der nordische Name, den Ihr für mich ausgesucht habt, gefällt mir gut, Vetter Rolf. ›Ragnhild Germundstochter‹ klingt wirklich schön. Ihr werdet mir sicher einiges über die Stadt Bergen erzählen können, nicht wahr? Und mit ›Katharina Burgauer‹ kann ich ebenfalls gut leben.«
In diesem Augenblick meldete eine Magd die Ankunft eines Knechts einer der drei Papiermühlen am Flattbachkanal in der Oberen Bleiche.
»Sein Herr lässt inständig bitten, dass der Meister um Himmels willen sofort kommen möge! Im Stampfwerk ist etwas nicht in Ordnung; die Hadern verklumpen und türmen sich schon meterhoch auf.«
Rudolf stand augenblicklich auf, entschuldigte sich bei Mutter und Base und folgte der Magd nach draußen.
»Ach, mit Papiermühlen kennt Rolf sich ebenfalls aus?« Magdalena war verblüfft. Mit sichtlicher Genugtuung wandte sich Gertrude an das junge Mädchen und erwiderte:
»Mit jeder Art von Mühle, mein Kind. Aber es war durchaus nicht immer so, dass man Rolf um Hilfe bittet. Als lediger ›Bankert‹ galt er den Leuten hier weniger als nichts. Für meinen Fehltritt hat man den Jungen leiden lassen. Erst als vor etlichen Jahren der Müller von der Alten Säge gar nicht mehr weiterwusste, ließ er nach meinem Sohn schicken. Er sollte ihm das Mahlwerk reparieren. Da ging den Ravensburgern allmählich auf, wie geschickt Rolf in diesen Dingen ist, genauso wie beim Anfertigen von Kanonen und Armbrüsten. Von Fall zu Fall bedient man sich seiner, wenn die Meister nicht mehr weiterwissen. Die öffentliche Anerkennung verwehrt man ihm indes bis heute, alle sind sie feige, die sich so großspurig gebärdenden Herren, und haben Angst vor der Kirche! Nur im Notfall
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