Das Erbe der Apothekerin - Roman
den Biestern hin und wieder die Peitsche zu schmecken geben, wenn sie gar zu gemächlich dahinzuckeln.«
Magdalena erwiderte sein ermutigendes Lächeln. »Freilich, Vetter. Du tust, was dir möglich ist, und ich danke dir dafür. Aber auf den Matthis hab’ ich trotzdem eine Wut. Er weiß doch, was mir daran liegt und …«
Doch da nahm der junge Schmied seinen Knecht in Schutz. »Halt, Lena! Das Ganze ist zwar ärgerlich, und dass wir ihn jetzt suchen lassen müssen, freut mich auch nicht gerade. Aber dennoch: Den Matthis trifft keine Schuld. Woher soll er denn wissen, dass wir uns schon heute früh wieder auf den Weg machen wollen? Es war im Gegenteil die Rede davon, dass wir mindestens drei Tage lang hierbleiben. Du erinnerst dich, nicht wahr?«
Das musste seine Base freilich zugeben – aber ein klein wenig wütend war sie immer noch. Um sich abzulenken, begann sie eine Unterhaltung mit Rolf, und das Thema ihres Gesprächs drehte sich – wie bei vielen Menschen zu dieser Zeit – um das kommende Konzil. Das junge Mädchen äußerte Verwunderung darüber, dass man ausgerechnet diese an sich unbedeutende Stadt für ein so weltbewegendes Ereignis ausgewählt hatte.
»Sicher ist Konstanz reich und schön, aber es gibt doch gewiss noch reichere und vor allem wichtigere Städte«, meinte Magdalena. »Rom etwa oder Paris wären sicher besser geeignet. «
»Du übersiehst dabei, Lena, dass Konstanz eine berühmte Bischofsstadt ist, deren Bistum ganz Schwaben von der eidgenössischen Schweiz bis nördlich von Stuttgart umfasst. Im Laufe ihrer Geschichte haben Könige sie mehrmals aufgesucht, und Kaiser Friedrich Barbarossa war gleich sechsmal in der Stadt. Sein Sohn, Heinrich VI., hat Konstanz 1192 eine Urkunde ausgestellt, in der die Bürger von allen bischöflichen Steuern und Abgaben befreit wurden. Das war die Geburtsstunde der Reichsstadt Konstanz.«
»Oh!« Magdalena lächelte. »Das wird den damaligen Bischof aber nicht sehr gefreut haben.«
»Nein, tatsächlich nicht. Der Kampf zwischen Bürgerschaft und Bischof dauerte lange Zeit. Es gab dabei für die Konstanzer auch immer wieder Rückschläge. Es floss sogar Blut! In der Mitte des vorigen Jahrhunderts haben ein paar Adlige gemeinsam mit etlichen Bürgerlichen den Bischof Johann Windlok in seiner Pfalz ermordet.
Die blutigen Auseinandersetzungen dauerten an bis zum letzten und endgültigen Schiedsvertrag von 1371, der die Niederlage der Bischöfe besiegelte. Seit damals – also erst seit gut vierzig Jahren – ist Konstanz wirklich eine Reichsstadt und nur dem Kaiser untertan.«
»Aber verfügt die Stadt denn über so viel Geld, dass sie sich einen so riesigen Aufwand, wie ein allgemeines Konzil ihn mit sich bringt, überhaupt leisten kann?« Magdalena stellte damit eine Frage, die auch viele Bürger von Konstanz umtrieb.
»Die Stadt ist sehr vermögend, vor allem durch die Herstellung
und den Handel mit der begehrten Leinwand«, erinnerte Rolf die junge Frau. »Als im Jahr 1380 Henggi Humpiß aus Ravensburg und Rudolf Mötteli aus Buchhorn die Große Ravensburger Handelsgesellschaft gründeten, nahmen sie gern noch den reichen Lütfried Muntprat aus Konstanz als Mitglied auf, denn der Fernhandel braucht bekanntlich Kapital, das einer allein nicht aufzubringen vermag.
Kurz danach trat mein Verwandter und zugleich dein Großvater, Mauritz Scheitlin der Erste, der Gesellschaft bei. Er erkannte rasch, dass man als Einzelner lange nicht so günstige Konditionen herausschlagen kann, wie als Mitglied in einer Gemeinschaft. Sehr früh ergaben sich Beziehungen nach Frankreich und Italien, vor allem nach Mailand, Genua und Venedig. Im Augenblick repräsentieren die Konstanzer Kaufleute die alleinige Vertretung der deutschen Handelsleute in Mailand.«
»Ach, deshalb haben die Bürger von Konstanz das große Kaufhaus für die welschen Handelsvertreter direkt am See gebaut, nicht wahr?«, warf Magdalena ein. »Ich habe davon gehört.«
»So ist es.«
»Aber heutzutage werden die Konstanzer ihr Geld auch nicht mehr nur mit dem Leinwandhandel machen, oder?«
Der Schmied fuhr sich mit der Hand durch sein schulterlanges braunes Haar, ehe er in seinen Erläuterungen fortfuhr: »Wie Ravensburg profitiert auch Konstanz vom Handel mit Leinen, Hanf, Barchent und sonstigem Baumwollgewebe aus Oberschwaben und Holland, Oberitalien und Südostfrankreich, mit Tuch aus Spanien, Italien, Brabant, Flandern und England, Samt- und Seidenstoffen aus Genua, Florenz und
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