Das Erbe der Apothekerin - Roman
seine Lena überkam ihn von neuem mit aller Macht. Aber andererseits irrte sie sich gewaltig, brachte er doch Renata außer einem gewissen, zweifelsohne vorhandenen Mitleid auch eine ehrliche Zuneigung entgegen. Ihre Worte wühlten ihn zutiefst auf, und am
liebsten wäre er aufgestanden und weggerannt. Aber das war mit Sicherheit keine Lösung …
»Liebste, hört mir jetzt einmal gut zu!«, sagte der junge Kaufmann schließlich und schob energisch seinen halbleeren Teller beiseite.
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns einmal ehrlich aussprechen. Wir sollten keine Geheimnisse voreinander haben, sind wir doch vor Gott einander verbundene Eheleute, verpflichtet zu Vertrauen, Treue und ehelicher Liebe. Ich will Euch nicht verhehlen, dass ich meine Braut Lena sehr geliebt habe und maßlos enttäuscht war, als sie plötzlich der Gemeinschaft mit mir das Klosterleben vorzog. Aber es war ihr Wille, und ich hatte ihn zu respektieren – auch wenn es mir schwerfiel. Allerdings war ich auch sehr wütend und enttäuscht. Deshalb habe ich es auch unterlassen, sie im Kloster aufzusuchen und mit ihr zu reden. Alles war schon für die Hochzeit vorbereitet, und ich wusste, dass ich danach für Monate von daheim fort sein würde. Mein Vater ist nicht mehr der Jüngste und wollte mich verheiratet sehen. Ich habe es ihm überlassen, eine andere Braut für mich zu suchen. Ich selbst war noch zu verletzt … Und mein Vater Albrecht hat mir eine Frau gewählt, mit der ich vom ersten Augenblick an zufrieden war. Das müsst Ihr mir glauben, Liebste. Ich achte und verehre Euch; Ihr seid das Beste, das mir widerfahren konnte.
Und ich bereue keine Minute, dass ich Euch zur Frau genommen habe. Habt Ihr mich verstanden, Liebste? Meine damalige Braut habe ich so gut wie vergessen. Es gibt nur Euch für mich. Und ich darf Euch verraten, dass aus dem Respekt, den ich immer für Euch hegte, längst Verehrung geworden ist.«
Konrad zog die Hand seiner Frau an seine Lippen und
küsste sie – ohne sich um den dämlich glotzenden Wirt und seine Knechte zu bekümmern. »Ich wünsche mir, dass uns beiden eine recht lange, gemeinsame Ehedauer beschieden sein möge. Wer weiß, vielleicht gefällt es dem Herrn sogar, dass er uns mit Nachwuchs segnet!«
Bei seinen ehrlich klingenden Worten ging der ältlichen Frau das Herz auf. Renata strahlte geradezu. Sie war erneut fest dazu entschlossen, gerade, was das Letztere anging, ihren Teil dazu beizutragen …
Konrad, der inzwischen wieder seinen Löffel ergriffen hatte, schluckte derweil schwer an den letzten Bissen seiner Mahlzeit. Wider aller Erwartungen hatte er doch in Lena eine Frau gefunden, in die er sich aus ganzem Herzen verliebt hatte – obwohl er wusste, dass man allgemein in der Ehe nicht viel auf derartige Sentimentalitäten gab. Mit Renata nun würde er eine Ehe führen, die allein die Vernunft zusammengefügt hatte und die sich daher in nichts von all den anderen ehelichen Gemeinschaften unterschied. Eine leise Wehmut überkam Konrad – auch wenn er wusste, dass aus seinem Zusammensein mit Renata trotzdem mit den Jahren ein inniges Einvernehmen und ein ehrlicher Zusammenhalt erwachsen konnten.
KAPITEL 16
SOWOHL ROLF ALS auch Magdalena hatten in dieser Nacht im Grünen Kranz schlecht geschlafen. Der Lärm angetrunkener Gäste – gelehrter Herren der Universität Padua, wie sie anderntags erfuhren, die sich bereits jetzt zur Vorbereitung des Konzils auf den Weg nach Konstanz machten –
hatte es bis in die frühen Morgenstunden unmöglich gemacht, an Schlaf auch nur zu denken.
»Das scheinen mir gerade die Richtigen zu sein, um bei einem kirchlichen Ereignis als Vorhut zu dienen«, knurrte Rolf übellaunig den verkaterten Wirt an, als er sich im Morgengrauen in den Stall begab, um nach den Knechten und seinem Wagen zu sehen. Magdalena, die auch kaum zur Ruhe gekommen war, hatte er noch schlafen lassen.
»Wieso?«, brummte der zurück. »Gäste, die viel Wein konsumieren, sind mir lieber als die abstinenten, die bloß Wasser saufen – wie ihre Maulesel.« Das war deutlich auf den jungen Waffenschmied gemünzt. Der lachte bloß.
»Kann ich mir denken, Wirt! Aber vielleicht solltet Ihr selbst dabei nicht Euer bester Gast sein! Sonst könnte es sein, dass Ihr eines Tages aufwacht, und die Wirtschaft gehört Euch gar nimmer …«
Der Wirt warf ihm einen scheelen Blick zu. »War wohl wirklich gestern Abend ein wenig zu viel, was ich erwischt hab’«, gab er dann freimütig zu.
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