Das Erbe der Apothekerin - Roman
er sich zur Ablenkung an den Wirt:
»Seid doch so gut und bringt uns noch einen Krug von diesem Morgentrunk. Außerdem wäre es sehr freundlich von Euch, Herr Wirt, wenn Ihr Eure Dienstboten dazu anhieltet, nach meinem Knecht Matthis Ausschau zu halten!«
Der Gastwirt vom Grünen Kranz verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und scheuchte seine Leute aus der Gaststube. »Hört auf, Maulaffen feilzuhalten, und verschwindet! Ihr habt gehört, worum der Herr euch gebeten hat.«
Er selbst verdrückte sich auch, um das Gewünschte an den Tisch zu bringen.
»Also, ich weiß nicht recht«, begann Magdalena, die Rolfs »Maßnahme« schon verstanden hatte, leise. »Geld zu nehmen für kirchliche Zwecke, ausgerechnet von Leuten, die mit der Kirche gar nichts zu schaffen haben – das erscheint mir irgendwie überhaupt nicht rechtens zu sein. Was meinst du, Vetter?«
»Arg seltsam kommt es mir schon vor. Aber ich denke, man betrachtet es als Strafe dafür, dass die Hebräer so starrsinnig sind und sich nicht bekehren lassen wollen.«
Nachdenklich schwenkte die Apothekertochter den Rest des verdünnten Bieres, der sich noch in ihrem Becher befand, hin und her. »Es mag ja falsch sein, was die Juden tun. Aber irgendwie bewundere ich sie für ihre Glaubensstärke und für ihren Mut!« Magdalena beugte sich näher zu Rolf.
»Sie verhalten sich doch nicht anders als man es uns von den ersten Christen erzählt, die einst für ihren Glauben an Jesus Christus als Märtyrer gestorben sind und die heute als Heilige verehrt werden.«
»Freilich! Du hast natürlich Recht, Lena.« Rolf senkte ebenfalls seine Stimme. »Aber, bitte, lass das keinen Fremden hören – es käme mit Sicherheit nicht gut an in einer Gegend, die in den nächsten Jahren nur den reinsten Katholizismus aus jeder Mauerritze und jedem Erdloch ausdünsten wird.«
KAPITEL 17
REICHLICH AUFGELÖST TAUCHTE Utz nach geraumer Zeit wieder im Grünen Kranz auf. Alles Suchen blieb vergebens.
»Herr, ich weiß nimmer, wo ich noch nach dem Matthis schauen sollt’. Auch das Mädle, in dessen Kammer wir gewesen sind, ist spurlos verschwunden – so sagt jedenfalls ihre Herrin, die Witib von einem reichen Barchenthändler. Wie es ausschaut, hat sich der Matthis mit dem Mensch aus dem Staub gemacht. Gegen Mitternacht hat er mich in den Grünen Kranz vorausgeschickt; spätestens heut’ früh wollte er
nachkommen. Ich hab’ im Wagen nachgeschaut und gesehen, dass alle seine Sachen weg sind. Und noch was, Herr! Er scheint einen Teil der versteckten Armbrüste mitgenommen zu haben, während ich in einer Scheunenecke meinen Rausch ausgeschlafen hab’.«
Das war allerdings eine höchst unliebsame Überraschung – zumal ihnen kein Mensch in Dornbirn sagen konnte, wohin das saubere Pärchen verschwunden war. Es blieb Rolf und Magdalena schließlich nichts anderes übrig, als sich ohne Matthis auf den Weg zu machen.
»Zum Glück hat der Saukerl nicht gleich alle Waffen mitgehen lassen. Er war immerhin so anständig, sich mit etwa dem zehnten Teil zu begnügen. Das reicht immer noch für eine schöne Stange Geld«, knurrte sein ehemaliger Herr, ehe er noch den »frommen« Wunsch hinzufügte: »Sooft er es verfrisst oder versäuft, möge es ihm im Hals stecken bleiben. Und falls er es einer Hure gibt, soll ihm doch gleich …«
Gerade noch vermochte er sich in Magdalenas Gegenwart zu bremsen und verschluckte, was er hatte sagen wollen.
»Amen, Herr«, entfuhr es Utz, der durch den Schreck längst wieder vollkommen nüchtern war. Nachdem er die Maultiere eingespannt hatte, drängte er Rolf, ihm doch wieder das Regiment auf dem Kutschbock zu überlassen.
»Von mir aus.« Der Waffenschmied war damit einverstanden. »Dann werde ich während der Fahrt überprüfen, was der Bursche sonst noch alles entwendet hat.«
Mauritz Scheitlin, die eigentliche Ursache für Magdalenas Unglück und ihre dadurch ausgelöste Odyssee, wurde seines Lebens indes wirklich nicht mehr froh. Jetzt hatte ihn auch noch der Ortsvorsteher Ravensburgs am Wickel.
Ausgerechnet Jodok Finsterwald – von dem er bisher angenommen
hatte, er sei ihm eigentlich ganz wohlgesinnt – hatte ihn durch einen mit einer Pike bewaffneten Stadtknecht zu sich ins Rathaus »bitten lassen«.
»Mensch, Scheitlin!«, empfing der erste der Stadtväter ihn ungnädig. »Was ist denn los mit Euch? Ich sehe mit großem Missfallen, dass ich mit Euch wohl aufs falsche Pferd gesetzt habe!«
»Wiewieso?«, stotterte Mauritz
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