Das Erbe der Apothekerin - Roman
wird’s Euch lohnen, Ihr seid in der Tat ein gütiger Mensch«, höhnte Rolf, aber der andere schien den Spott überhaupt nicht wahrzunehmen.
Als er und Lena abends in ihren mit schäbigen Baldachinen versehenen schmalen Betten lagen, konnte Rolf das Mädchen leise beten hören: »Lieber Herr Jesus, ich bitte Dich, lass mich bald meinen Liebsten finden. Ich hab’ solche Sehnsucht nach ihm. Ich bin sicher, Herr, Du wirst einen Weg finden, dass wir zusammen glücklich sein können – ich, Konrad und unser kleiner Sohn. Bitte, bitte, lieber Gott und liebe heilige Maria Muttergottes, macht, dass alles wieder gut wird.«
Vetter Rolf drehte sich daraufhin mit dem Gesicht zur Wand und zog sich die Decke über den Kopf. Er wollte nichts mehr davon hören.
Renata fühlte sich besser als erwartet. Früher war sie viel und gerne geritten und hatte diese Fertigkeit keineswegs verlernt. Konrad, besorgt um seine Gattin, hatte für sie bei einem welschen Pferdehändler eine besonders lammfromme Stute ausgesucht. Das bedeutete zwar eine weitere Verzögerung, aber er zog es vor, die eben erst dem Tod von der Schippe Gesprungene nicht zu überfordern.
Bei einem Örtchen mit dem schönen Namen Morgengab,
kurz vor Fraxern, machte das Ehepaar samt seinen drei Knechten Halt. Den dritten Mann, einen gelernten Seiler aus Lindenberg im Allgäu, hatte Konrad noch in Dornbirn angeworben – je mehr Leute er dabeihatte, umso besser dünkte ihn das in diesen unruhigen Zeiten.
Das verspätete Mittagsmahl nahm man in einem am Wege liegenden Gasthof ein. Die Knechte blieben draußen im Wirtsgarten, während Renata es der sengenden Sonne wegen vorzog, die schattige Kühle des Gastraums aufzusuchen. Es war zwar noch Frühling, aber der diesjährige Sommer versprach, äußerst heiß zu werden.
Konrad beobachtete seine Ehefrau genau, konnte aber keine Anzeichen einer Erschöpfung an ihr feststellen. Insgeheim atmete er auf. Der Huflattich schien gewirkt und Renata sich tatsächlich gut erholt zu haben.
Ihrem Ehemann entging jedoch nicht, dass sie lustlos in ihrem Essen herumstocherte. Ihm schmeckte der fade Eintopf, der hauptsächlich aus Rüben und Zwiebeln bestand, zwar auch nicht sonderlich, aber er hatte Hunger und würgte das zerkochte Gemüse hinunter. Seine Frau schien dagegen keinen rechten Appetit zu haben – irgendetwas musste ihr auf der Seele zu liegen.
»Was habt Ihr, meine Liebe?«, erkundigte sich Konrad und griff nach ihrer Hand, die eben den Löffel leicht angewidert neben den irdenen Teller gelegt hatte.
»Oh, nichts, Liebster, gar nichts!« Renata wirkte aufgeschreckt, beinahe wie ertappt. Ihrem Gatten fiel auf, dass sie ihn dabei nicht ansah. Und da er ein feinfühliger Mann war, wusste er, dass sie log. Irgendetwas bedrückte sie.
»Habt Vertrauen zu mir, Renata! Ich sehe doch, dass Euch irgendetwas Kummer bereitet. Was habt Ihr auf dem Herzen? «
Renata blickte auf und sah ihrem Mann direkt in die Augen. Sie gab sich einen Ruck – feige war sie nie gewesen.
»Als ich wochenlang zwischen Tod und Leben lag, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, Konrad. Und da habe ich mir oft die Frage gestellt, ob Ihr nicht ohne mich um Vieles besser dran wäret.«
»Was fällt Euch ein, Liebste?«, rief Konrad erschrocken aus. »Ihr wisst doch, dass ich …« Aber Renata hob abwehrend die Hand. »Ich bitte Euch, lasst mich ausreden. Ich fühle wohl, dass Ihr mich von Herzen gern habt. Aber wirklich lieben tut Ihr eine andere. Vor unserer Hochzeit habe ich Gerüchte vernommen, die wissen wollten, dass Ihr mit einem jungen Mädchen verlobt wart, dass dann jedoch ins Kloster gegangen ist. Aber Euer Herz hängt immer noch an ihr – das fühle ich. Und es stimmt mich sehr traurig.
Für mich, für die Ihr die Erfüllung meines Lebens seid, ist es sehr bitter – und für Euch, die Ihr diesem jungen Weib immer noch nachtrauert, ist es eine Katastrophe. Wir hätten niemals heiraten dürfen! Jetzt seid Ihr an eine um viele Jahre ältere Frau gebunden, während Euer Herz blutet. Irgendwann werden die freundschaftlichen Gefühle, die Ihr durchaus für mich hegen mögt, umschlagen in Bitterkeit und vielleicht sogar in Hass. Und das möchte ich nicht. Aber ich weiß nicht, wie wir die schwierige Situation lösen sollen. Am besten wäre gewesen, Ihr hättet mich einfach sterben lassen.«
Konrad war es, als hätte man ihn ins Gesicht geschlagen. Natürlich hatte Renata einerseits Recht – und die so mühsam unterdrückte Erinnerung an
Weitere Kostenlose Bücher