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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Mailand, Rohseide aus Spanien und Sizilien, sowie mit Kamelhaarstoffen aus dem Orient.

    Aber das ist noch lange nicht alles! Dazu kommen feine Ledersorten und Pelzwerk, eine Reihe von Farbstoffen wie Indigo, Scharlach, Krapp, Waid, Bleiweiß und Zinnober; ferner Gewürze wie Safran aus Indien und Spanien, woher wir auch Zucker importieren. Reis, Datteln, Mandeln, getrocknete Weinbeeren und Anis gehören dazu, sowie Kümmel, Kapern, Zitronat, Süßigkeiten aller Art und Pfeffer, außerdem Gewürznelken von den Molukken, Zimt aus Ceylon und China, Muskatnuss und Ingwer aus Indien.«
    Rolf hatte sich mehr und mehr in einen gewissen Eifer hineingeredet – der aufmerksame Blick von Magdalenas großen, tiefen Augen, die auf ihm ruhten, trug ein Übriges dazu bei. Inzwischen hatten sie auch Zuhörer bekommen. Der Wirt, der allmählich wieder nüchtern wurde, sowie etliche verschlafene Dienstboten spitzten die Ohren.
    »Aber auch anderes wird gehandelt, Lebensmittel wie Orangen, Olivenöl, Thunfisch, Westfälischer Schinken, Käse aus Holland und Italien, daneben Silber, Gold, Kupfer, Zinn und Messing, Schwerter und Dolche, Messer, Ketten, Scheren, Nägel, Nadeln, Draht und Blech, Zinngeschirr, Leuchter, Schellen, Korallen, Perlen, Edelsteine und die Federn exotischer Vögel und anderes mehr – vor allem verschiedene Drogen für medizinische Zwecke.«
    »Das weiß ich, mein Vater hat sich immer an den Warenzügen nach Süden beteiligt. Er verkaufte dabei fertige Heilmittel, Kräutertees, Duftseifen und Honig und importierte im Gegenzug die notwendigen Inhaltsstoffe für Medizin, Duftwässerchen, Reinigungspulver und Seifen, sowie Pfeffer und andere Gewürze, aber auch Färbemittel für Stoffe und Farben für Maler«, warf Magdalena lebhaft ein. »Ich weiß auch, dass sich die Mitglieder der Ravensburger Handelsgesellschaft mit dem Getreide- und Viehhandel nicht abgeben –
und die Konstanzer schon zweimal nicht. Angeblich wirft das zu wenig ab.«
    »Da wird schon etwas dran sein, Ragnhild«, vermutete Rolf. Der Zuhörer wegen benützte er ihren Decknamen. »Inzwischen hat Konstanz etwa siebentausend Einwohner – manche behaupten, es wären bereits achttausend.«
    »Und wie viele Konzilsteilnehmer erwartet man?« Magdalena war wissbegierig; immerhin schickte sie sich an, bald eine gewiefte Geschäftsfrau zu werden – die Apotheke hatte sie noch keineswegs abgeschrieben.
    »Die Stadtväter rechnen mit fünfzig- bis sechzigtausend Besuchern.«
    »Wie bitte?« Magdalena glaubte, sich verhört zu haben.
    »Das hört sich schlimmer an, als es ist, Base Ragnhild. Alle zusammen, zur selben Zeit, fänden natürlich keinen Platz in der Stadt. Aber es reisen ja immer wieder auch Teilnehmer ab und neue kommen dazu. Man geht immerhin von einer drei- bis fünfjährigen Dauer des Konzils aus. Freilich kann es auch noch viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.«
    »Ach so! Aber jetzt verrate mir doch, wie will man das ganze Spektakel denn überhaupt finanzieren?«, insistierte Magdalena. »Da müssen doch sicher wieder die finanzkräftigen Bürger ordentlich bluten – darauf läuft es doch immer hinaus.«
    Plötzlich schien Vetter Rolf in Verlegenheit zu geraten. Die Antwort war ihm offenbar unangenehm. »Na ja! Man macht es halt, wie es viele Städte seit langem handhaben, die einen wunderschönen Dom gebaut haben oder bauen wollen: Man erhebt besondere Judensteuern.«
    »Ach, ist es die Möglichkeit? Im vorigen Jahrhundert hat man die Hebräer aus der ganzen Bodenseegegend vertrieben – und jetzt braucht man doch wieder ihr Geld?«
    »Nicht nur vertrieben, Base Ragnhild. In Konstanz haben
sie im Jahr 1349 nicht weniger als 330 Juden verbrannt, weil man geglaubt hat, sie trügen Schuld an der Verbreitung der Pest. Die übrige jüdische Gemeinde hat man verjagt. Ein Jahr zuvor, in Ravensburg, wurden aus dem gleichen Grund gar über 1300 Juden ermordet. Aber bald danach begriffen die Stadtväter der betreffenden Gemeinden, dass sie die Kinder Israels und ihre Finanzkraft bitter nötig haben, und sie riefen die Vertriebenen wieder zurück.
    Und jetzt lässt man die Konstanzer Juden für das Konzil wiederum kräftig zur Ader. Weil sie aber allein nicht genug Geld aufbringen können, haben ihre Glaubensgenossen in Schaffhausen und Zürich versprochen, einzuspringen.«
    Als Rolf an der empörten Miene seiner Verwandten ablas, dass diese in Versuchung war, vor ihrem zweifelhaften Publikum eine möglicherweise unkluge Bemerkung zu machen, wandte

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