Das Erbe der Apothekerin - Roman
überrascht. »Waren die Sachen, die ich Euch hab’ schicken lassen, nicht in Ordnung?«
Mit den »Sachen« spielte er auf die nicht gerade kleine Warenmenge an, die er neulich dem Ortsvorsteher ohne Preisangabe und Rechnung durch die einzige Magd, der er vertraute, hatte überbringen lassen.
»Waren vielleicht die Schminke oder die Duftwässerchen für die Frau Gemahlin schal oder gar ranzig? Ich werde sofort andere …«
»Bemüht Euch nicht, Scheitlin!«
Finsterwald – peinlich berührt – wehrte mit beiden Händen unwillig ab. Dass der Kerl es wagte, auf so plumpe Art und Weise auf die Bestechung anzuspielen, war allerdings die Höhe! Immerhin hatte Jodok sich dieses »Entgegenkommen« des Quacksalbers redlich verdient: Er hatte ihm schließlich zur Stadtapotheke verholfen, indem er ihn zum Vormund für die rechtmäßige Erbin nicht nur vorgeschlagen, sondern gegen massiven Widerstand im Stadtrat auch durchgesetzt hatte … Und genau um diese Apotheke handelte es sich jetzt.
»Mir kommen andauernd Klagen über Euch zu Ohren, von Leuten nicht etwa aus der ärmeren Schicht sondern von angesehenen Bürgern der Stadt Ravensburg, die sich über Euch und Eure geringe bis gar nicht vorhandene Kompetenz, was Heilmittel angeht, beschweren. Außerdem sollt
Ihr unverschämte Preise verlangen. Ferner beklagen sie sich bitter über Eure höchst mäßige Bereitschaft, auf ihre Beschwerden und Leiden einzugehen. Sie haben den Eindruck, Ihr wollt ihnen nur irgendetwas andrehen, altes Zeug zumal, das Ihr loswerden wollt. Ihr bemüht Euch angeblich keineswegs um neue oder wenigstens frische Kräutermischungen – geschweige denn, dass Ihr auch nur den Hauch einer Ahnung von Drogen oder sonstigem, was man von einem Stadtapotheker gemeinhin erwarten darf, habt.«
Der derart Gescholtene hatte mehrmals versucht, Finsterwald zu unterbrechen, aber der hatte nur immer noch lauter gesprochen und am Ende brüllte er regelrecht: »Ihr seid wahrlich kein guter Ersatz für Euren Bruder – und das kann sich unsere Stadt nicht leisten!«
Auch jetzt kam Mauritz nicht zu Wort, denn gleich darauf erfolgte der nächste Angriff: »Wenn Ihr selber keine Ahnung von der Materie der Heilkunde habt, dann holt Euch schleunigst Eure Nichte her, damit sie nach dem Rechten schaut. Wo ist das Mädchen denn überhaupt? Ihr, als ihr Vormund, seid dazu verpflichtet, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen – zumindest müsst Ihr wissen, wo das Mädle sich aufhält. Und kommt mir jetzt nicht damit, das Ihr wieder mal keinen Schimmer habt!«
Richtiggehend in Wut hatte sich das Stadtoberhaupt geredet und Mauritz Scheitlin wäre am liebsten aus dem Amtszimmer Jodok Finsterwalds geflohen. Natürlich wusste er nicht, wo das verdammte Weibsbild sich aufhielt. Magdalena war wie vom Erdboden verschluckt …
»Selbst die Klosterknechte der Oberin Notburga haben sie nicht ausfindig machen können, Schultheiß! Meine Frau hab’ ich auch eindringlich befragt«, – dass Margret ein blaues Auge bei dem »Verhör« davongetragen hatte, so eindringlich
wie es gewesen war, brauchte Jodok ja nicht gleich zu wissen – »und sie konnte mir trotzdem nichts sagen; selbst meine allwissende Mutter scheint dieses Mal keine Ahnung zu haben – und das will schon etwas heißen!«
»Na und? Wollt Ihr es etwa dabei belassen? Warum habt Ihr Euch nicht schon längst an die Obrigkeit gewandt? Dem Mädchen könnte doch auch etwas zugestoßen sein! Man kann fast den Eindruck kriegen, Ihr wollt überhaupt nicht, dass Magdalena gefunden wird.«
»Aber, aber, nicht doch, Herr Jodok! Natürlich will ich wissen, was mit ihr los ist! Ich mach’ mir ihretwegen die allergrößten Sorgen und …«
Finsterwald winkte ärgerlich ab. »Hört auf mit dem Theater! Ab jetzt wird die Stadt die Sache in die Hand nehmen. Und Ihr sorgt dafür, dass mir keine Klagen mehr über Euch als Apotheker zu Ohren kommen. Sonst seid Ihr die längste Zeit der medizinische Mitarbeiter und Helfer unseres Stadt-und Wundarztes, Doktor Wendelin Butzbach, gewesen!
Ihr wisst, dass der Betrieb Eures Unternehmens als ausgewiesene Stadtapotheke nur mit Genehmigung der Stadträte möglich ist. Wenn wir Euch die Lizenz entziehen, könnt Ihr wieder über Land ziehen und wie früher Eure dubiosen Mittelchen als Marktschreier verhökern.«
Letzteres klang sehr bedrohlich, und Mauritz wurden förmlich die Knie weich. Er schwor beim Leben seiner alten Mutter und beim Augenlicht seines Sohnes, dass er alles, wirklich alles tun
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