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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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wolle, was man von ihm erwartete.
     
    Obwohl die Große Handelsgesellschaft Ravensburgs auf allen mitteleuropäisch relevanten Märkten und Messen vertreten war – sei es in Nördlingen, Nürnberg, Frankfurt am Main, in der Champagne, Lyon, Brügge oder Wien –, waren
doch die deutschen Verbindungen nach Süden, durch die Schweiz nach Italien, am wichtigsten.
    Als die Ravensburger ihr »Gelieger« – so nannte man eine Handelsniederlassung samt Warenlager – aus politischen Gründen in der Stadtrepublik Venedig immer mehr abbauten, verloren Arlberg und Reschen-Scheidegg als Alpenübergänge an Bedeutung für den Italienhandel.
    Umso mehr wurden die Graubündner Pässe frequentiert. Man erreichte sie von Ravensburg aus über Lindau, dann weiter über Dornbirn, oder man fuhr von Lindau mit Fähren über den Bodensee nach Fussach, dann weiter über Feldkirch und den Luziensteig bis nach Chur.
    Von da aus ging es entweder über das Oberhalbstein zum Septimer- oder durch die Via Mala zum Splügenpass und weiter nach Chiavenna. Über den Comersee erreichten die Warenzüge Como und Mailand, und weiter ging’s über Pavia und Tortona nach Genua. Um ins Safrangebiet in den Abruzzen zu gelangen, benutzte man die Straßen über Perugia nach Aquila.
    Damals rechnete man von Ravensburg bis nach Aquila mit einer Reisedauer von dreiundzwanzig Tagen – falls nichts dazwischenkam. Aber das war leider nicht die Regel.
     
    »Alle großen Warenzüge werden auf den Landwegen begleitet von bis an die Zähne bewaffneten Knechten. Auf jeder Fahrt ist mit Raubüberfällen zu rechnen – genauso wie auf den Handelsrouten zu Schiff nach Spanien oder Portugal. Wobei es gleichgültig ist, ob man christlichen oder mohammedanischen Piraten in die Hände fällt. Sie sind alle gleich grausam«, erläuterte Rolf seiner Base gerade, während der Wagen durch immer hügligeres und beschwerlicheres Gelände mühsam dahinholperte.

    »Das beruhigt mich jetzt aber nicht sehr.«
    Magdalena reagierte ein wenig unwillig auf die Ausführungen ihres Vetters. Aber der blieb gelassen. »Meine Liebe, sag jetzt nicht, ich hätte dich nicht genügend gewarnt! Wenn es dir hilft, kann es dich vielleicht insoweit trösten, wenn ich dir verrate, dass unser Karren Räuberbanden großen Stils viel zu armselig erscheint. Wir müssen eher mit Strolchen jenes Kalibers rechnen, mit denen wir bereits Bekanntschaft gemacht haben.«
    »Oh, vielen Dank! Da geht es mir doch gleich viel besser! Vor allem, weil wir jetzt auch noch einen Mann verloren haben. « Die junge Frau verzog das Gesicht. »Diesen Matthis soll der Teufel holen!«
    »Ich verspreche dir, Lena, sobald ich einen geeigneten Knecht finde, stelle ich ihn als Ersatz für Matthis ein. Aber leicht ist es nicht, denn ich kenne hier keinen und muss mich auf meine Menschenkenntnis verlassen. Und die kann einen bekanntlich arg im Stich lassen.«
    »Du schaffst das schon, Rolf.«
    Der junge Mann warf ihr einen Seitenblick zu. Magdalena schien es ernst zu meinen mit ihrer Zuversicht, und er seufzte im Stillen. Er selbst hatte alles andere als ein gutes Gefühl bei der Sache. Am liebsten hätte er das ganze Unternehmen abgeblasen, wäre umgekehrt und hätte das Mädchen bei seiner Mutter Gertrude abgeliefert. Aber das ging jetzt wohl nicht mehr. Mit Gottes Beistand und Utzens tatkräftiger Unterstützung hoffte er, die unselige Mission zu einem halbwegs guten Ende zu bringen.
    »Wie mag wohl Konrad reagieren auf den Anblick seiner einstigen Braut?«, überlegte er bang. Ein verstohlener Blick auf die kleine Rundung unter ihrer Schürze genügte: Mittlerweile sah man Magdalena die Schwangerschaft an. Der inzwischen
verheiratete Kaufherr würde nicht gerade entzückt sein. Und sein Eheweib noch viel weniger.
    »Glaubst du, dass wir Konrad heute einholen?«, hörte er Magdalena fragen. Auch sie machte sich neuerdings zunehmend Gedanken darüber, ob sie mit dieser Reise durch die Berge unbedingt sehr klug gehandelt hatte …
    Rolf fuhr aus seinen Gedanken auf. »Was meinst du?«, erkundigte er sich ein wenig töricht. Gleich darauf fasste er sich.
    »Durchaus möglich, Lena, durchaus möglich! In Altenstadt, wo wir uns ein Quartier für die Nacht suchen, könnten wir ihn meines Erachtens finden.«
     
    Magdalenas Hoffnungen sollten sich wiederum nicht erfüllen. Allmählich verlor sie ihre naive Zuversicht. Die Route, die Rolf gewählt hatte, war schwierig, steil und holprig und verlangte Zugtieren wie Menschen viel Kraft

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