Das Erbe der Azteken
zutreffen kann – oder auch nicht. Aber er behauptete außerdem, dass seine Auftraggeber schon lange aktiv nach der Ophelia suchen.«
In der Welt der Schatzjäger gilt eine aktive Suche als eine ganz spezielle Angelegenheit, zu der auch umfangreiche Expeditionen gehören, bei denen man sich nicht nur die Hände schmutzig macht, indem man Suchfelder abgrenzt, mit einem Magnetometer abtastet und sich dabei auch durch Schlamm und Unrat wühlen muss. Ganz zu schweigen von den nicht weniger mühsamen Recherchen, in deren Verlauf man Angehörige befragt, mögliche Fundorte untersucht, in staubigen Bibliotheken herumsitzt und nach winzigsten Hinweisen auf den möglichen Fundort des Zielobjekts fahndet.
»Wenn Rivera schon so lange in diesem Spiel mitmischt«, sagte Remi, »wird es irgendwelche öffentlich zugänglichen Unterlagen, Nachrichten, Genehmigungen geben …«
»Genau mein Gedanke. Wenn wir die finden, gewinnen wir eine deutlichere Vorstellung von dem, was von Rivera und seinen Leuten so heiß begehrt wird.«
Sie blieben noch zehn Minuten lang unter den schattenspendenden Bäumen vor der Polizeistation sitzen, während Sam verfolgte, wie Rivera und sein Partner den Parkplatz der Kricketanlage verließen und anschließend noch ganz offen eine Runde um die Polizeistation drehten. Als sie das letzte Mal an ihnen vorbeikamen, winkten Sam und Remi ihnen zum Abschied zu. Sobald sie sicher sein konnten, dass sie nicht noch einmal zurückkehrten, spazierten Sam und Remi nach Osten zu einem Freiluftmarkt, wo sie Lebensmittel und andere lebensnotwendige Güter einkauften, um anschließend durch das Labyrinth kleiner Gässchen zu eilen und Ausschau nach möglichen Verfolgern zu halten. Da sie nichts Verdächtiges bemerkten, gingen sie drei Blocks weit nach Norden zu einer Autovermietung. Der für sie reservierte Wagen, ein 2007er Toyota Land Cruiser, stand schon bereit. Eine knappe Dreiviertelstunde später stoppten sie vor ihrer Strandvilla in Uroa.
Sams Mobiltelefon trällerte, während sie die Auffahrt hinaufgingen. Remi befreite ihn von den Einkaufstaschen mit den Lebensmitteln, die er trug, und ging ins Haus. Sam aktivierte die Anrufer-ID: Rube.
»Guten Morgen, mein Freund.«
»Ein verdammt frühes guten Morgen. Wie war dein Treffen?«
»Gut. Wir sollen dich von Huru grüßen.«
»Ein guter Mann. Habt ihr ihm euern Gast übergeben?«
»Noch nicht«, erwiderte Sam und rekapitulierte sein Gespräch mit Rivera. »Wir haben bereits mit Selma gesprochen. Morgen sind wir in der Universität, um unsere Hausarbeiten zu erledigen.«
»Also, ich weiß, dass ich das schon einmal gesagt habe, aber seid verdammt vorsichtig! Ich habe mich über Itzli Rivera informiert. Seine militärische Vergangenheit ist euch ja größtenteils bekannt, aber er hat auch in der Spionageabteilung des Verteidigungsministeriums gearbeitet. Vor etwa acht Jahren ist er ausgeschieden und hat sich selbstständig gemacht. Und jetzt kommt der Knaller: Laut dem Stationschef in Mexico City wurde Rivera sechs Mal von der Policía Federal verhaftet, aber niemals angeklagt.«
»Mit welchem Schuldvorwurf?«
»Einbruchdiebstahl, Bestechung, Erpressung, Mord, Entführung … und alles mit politischem Hintergrund.«
»Demnach ist er ein Mann fürs Grobe.«
»Und zwar ein militärisch ausgebildeter Mann fürs Grobe. Diesen Unterschied sollte man sich gut merken. Niemand weiß so richtig, für wen er arbeitet.«
»Wie konnte er alle Anklagepunkte niederschlagen?«
»Auf die übliche Art und Weise: Belastungszeugen überlegten es sich anders, oder ihr körperlicher Zustand änderte sich in Form eines plötzlichen und unerwarteten Todes.«
Sam lachte leise. »Ja, Rube, ich verstehe.«
»Der Rest ist das Übliche: verschwundene Beweise, Verfahrensfehler, Formalien und so weiter.«
»Man kann also durchaus behaupten, dass Rivera offenbar mächtige Fürsprecher hat.«
»Und zwar ein Schwergewicht mit einem besonderen Hang zu Artefakten aus Schiffswracks. Was werdet ihr mit der Glocke tun?«
»Das haben wir noch nicht entschieden. Tatsächlich glaube ich nicht, dass es ihnen überhaupt um die Glocke selbst geht. Ob sie nun hinter der Ophelia oder dem Schiff her sind, zu dem die geheimnisvolle Inschrift gehört, ändert nichts an dem Ort, an dem wir dieses Ding gefunden haben. Das ist es, was ihnen Sorgen macht … na gut, das und die Tatsache, dass wir nicht bereit sind, uns zurückzuziehen.«
»Vielleicht geht es gar nicht um etwas, wonach sie
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