Das Erbe der Azteken
erhitzte den Inhalt und trug die beiden Teller auf den Patio hinaus. Sam nagelte soeben die letzten beiden Latten fest.
»Wie findest du es?«, fragte er.
»Als Schmuckkästchen ist es wunderbar.«
»Es sollte eine Geschenkkiste sein.«
»Kiste, Kästchen, was auch immer. Setz dich und iss.«
Einen knappen Kilometer vom Ende der Chukwani Point Road entfernt lenkte Itzli Rivera den gemieteten Range Rover auf das Bankett, dann hinab in den Graben und auf der anderen Seite zwischen die Bäume. Das Gelände war unwegsam und mit dichtem Buschwerk überwuchert, aber der Vierradantrieb des Rovers kam leicht damit zurecht. Itzli lenkte den Wagen nach Südwesten zur Lichtung am Chukwani Point.
»Uhrzeit?«, wollte er von Nochtli wissen.
»Kurz nach eins.«
Eine Stunde vor dem Termin, an dem die Fargos den Lastwagen von Mnazi Freight & Haul erwarteten. Ausreichend Zeit, um einen Beobachtungspunkt zu suchen, von dem aus sie gute Sicht hatten, der jedoch auch so günstig zur Straße lag, dass sie jeden Fluchtversuch vereiteln konnten.
»Ich sehe die Lichtung«, meldete Nochtli mit dem Fernglas vor den Augen. »Dort ist irgendetwas.«
»Was?«
»Sehen Sie selbst.«
Er reichte Itzli das Fernglas, der es sofort auf die Lichtung richtete und scharf stellte. Mitten auf der Schotterstraße stand eine Holzkiste. An einer Seitenwand war ein Pappschild befestigt. »Irgendetwas wurde darauf geschrieben«, sagte er und zoomte die Kiste heran. Nach einem kurzen Moment murmelte er: »¿Qué madres …? «
»Was ist?«, fragte Nochtli. »Was steht da?«
»›Frohe Weihnachten.‹«
Itzli lenkte den Wagen zwischen den Bäumen hindurch, dann weiter in den Graben und wieder auf die Lichtung. Er bremste, ging zu der Kiste und trat mit der Fußspitze dagegen. Sie war leer. Er riss das Pappschild ab und drehte es um. Darauf war in Blockbuchstaben eine Botschaft zu lesen:
TREFFEN WIR UNS UND UNTERHALTEN
UNS ÜBER GLOCKEN. NYERERE ROAD.
KRICKETFELD, SÜDWESTLICHE ECKE
16:00 UHR.
10
Sansibar
Sam sah Itzli Rivera am nördlichen Rand des Kricketfeldes auftauchen. Er kam zwischen den Bäumen hervor, die den Parkplatz säumten. Hinter ihm ging ein anderer Mann nach Osten, aber Sam konnte sein Gesicht nicht erkennen. Der energische Schritt fiel einem sofort ins Auge. Das müsste Nochtli sein, dachte Sam.
In der Mitte des Spielfeldes war gerade eine Gruppe Teenager in ein Kricketmatch vertieft. Ihr Gelächter und ihre aufgeregten Rufe hallten durch die Parklandschaft. Rivera schlenderte über den Gehweg auf der Westseite des Spielfeldes und blieb vor der Bank stehen, auf der Sam Platz genommen hatte.
»Sie sind allein gekommen«, stellte Rivera fest.
Als er ihn aus nächster Nähe und bei Tageslicht vor sich stehen sah, änderte sich sofort Sams Einschätzung dieses Mannes. Obwohl Sam ohnehin keine Sekunde an den Fähigkeiten Riveras gezweifelt hatte, signalisierten seine wie gemeißelt wirkenden Gesichtszüge und sein sehniger Körperbau Härte und Zähigkeit. Seine schwarzen Augen musterten Sam völlig gleichgültig – ein Ausdruck, von dem Sam vermutete, dass er sich nur selten änderte, ganz gleich ob Rivera ein Sandwich verzehrte oder einen Menschen tötete.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Sam trotz eines kurzen angstvollen Flatterns in der Magengrube mit freundlicher Stimme. Er kam sich vor, als riskiere er es gerade, sich von einem großen weißen Hai aus der Hand fressen zu lassen.
Rivera folgte der Aufforderung. »Sie haben um dieses Treffen gebeten«, sagte er.
Sam erwiderte nichts darauf. Stattdessen verfolgte er das Kricketduell. Eine Minute verstrich. Schließlich gab sich Rivera einen Ruck und brach das Schweigen. »Ihr Scherz mit der Kiste – sehr amüsant.«
»Irgendetwas sagt mir, dass Sie trotzdem nicht gelacht haben.«
»Nein. Wo ist Ihre Frau, Mr Fargo?«
»Sie macht Besorgungen. Sie können Ihrem Freund ein Zeichen geben, dass er aufhören kann, in der Gegend herumzuschleichen. Er wird sie nicht finden.«
Rivera ließ sich diese Empfehlung ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen, dann hob er eine Hand von der Rückenlehne der Bank und ballte sie zur Faust. Auf der anderen Seite des Parks blieb Nochtli stehen.
»Reden wir über unser Problem«, sagte Sam.
»Und was für ein Problem soll das Ihrer Meinung nach sein?«
»Sie glauben, dass wir etwas haben, das Sie gerne für sich hätten.«
»Dann erklären Sie mal genau: Was denken Sie, was das ist?«
Abrupt stand Sam auf. »Ich bin normalerweise
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