Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
stand in seinen Augen. Sie hatte ihn noch nie geschlagen. Es drängte sie, sich bei ihm zu entschuldigen, doch dann presste sie die Lippen zusammen, damit kein einziges Wort hinauskonnte. Er hatte es verdient. In ihrer Schänke wurden keine schmutzigen Lieder gesungen!
    Aber auch Johann bekam sein Fett weg. Vor allen Leuten blaffte Madlen ihn an. Weil er Irmla verboten hatte, sie zu wecken. Weil er mit seinem Gerede reiche Gäste vergrault hatte. Er begehrte nicht auf, sondern reichte ihr nur wortlos das Geld, das der blonde Edelmann dagelassen hatte, eine Summe, die für hundert Becher Bier gereicht hätte. Dann machte er sich wieder an die Arbeit, und Madlen ging mit heißen Wangen und Aufruhr im Herzen zum Schanktisch zurück. Sie konnte nur an die vornehm gekleidete Frau denken. Ihr Name war Ursel, Madlen hatte gehört, wie der Blonde nach ihr gerufen hatte. Wie diese Ursel Johann angehimmelt hatte! Die Tränen in ihrem Gesicht, ihr verzweifelter Blick. Und der Brief, den sie ihm in die Hand gedrückt hatte.
    Aufgewühlt machte sie sich am Bierzapf zu schaffen, doch ihre Wut wurde bald von Bedauern verdrängt. Nicht, weil sie Johann so scharf angegangen war, sondern wegen der Ohrfeige. Caspar bediente die Gäste fleißig und umsichtig wie immer, doch er war blass und still und wich Madlens reuigen Blicken beharrlich aus. Auch Johann arbeitete schweigend, er wirkte in sich gekehrt und besorgt.
    Sie machten zeitig zu und gingen zu Bett. Mitten in der Nacht wurde Madlen wach und starrte ins Dunkel. Sie hörte das Knarren auf der Stiege, die leisen Schritte. Ihr Herz fing schmerzhaft an zu rasen, für einen Augenblick war die Angst wieder da, das vergangene Jahr schrumpfte zu einem schwarzen Moment des Schreckens zusammen, es war, als sei seither kein Tag verstrichen und der Mörder ganz nah. Dann begriff sie, dass es nicht Konrad, sondern Johann war, der nach unten ging. Sie lauschte und hörte, wie er das Haus verließ. Durch die Vordertür. Hastig stand sie auf und eilte zum Fenster. Sie öffnete den Laden einen Spaltbreit und schaute hinab auf die Gasse. Unten sah sie Johann in Richtung Hohe Straße davoneilen. Er trug eine Talgleuchte bei sich, die den Weg nur dürftig erhellte, doch seine Gestalt wirkte in dem matten Licht riesenhaft, sein Schatten bewegte sich an den gegenüberliegenden Hauswänden wie der bedrohliche Gigant aus Veits Erzählung. Madlen erschauderte, ein Anflug von Furcht erfasste sie. Machte er sich davon? Hatte sie ihm in der Schänke zu arg zugesetzt?
    Madlen grub zaudernd die Zähne in die Unterlippe, sie starrte immer noch auf die Schildergasse hinab, obwohl Johann längst in der Dunkelheit verschwunden war. Sie wusste, dass das, was sie vorhatte, falsch war, doch sie konnte nicht anders. Rasch entzündete sie eine Kerze und tappte auf bloßen Füßen nach nebenan in Johanns Schlafkammer. Sie klappte die Kiste auf, in der er seine wenigen Habseligkeiten verwahrte. Die Kleidungsstücke, die er im Wechsel mit denen trug, die er gerade anhatte. Zwei neue Hemden, die er sich selbst dazugekauft hatte, von Geld, das er nicht von ihr bekommen hatte. Sein Schreibzeug, das er für seine Berechnungen benutzte. Auf der wächsernen Oberfläche der Tafel erkannte sie die Umrisse einer Zeichnung, in der sie eine Abbildung der Darre zu erkennen glaubte. Anscheinend plante er weitere Umbauten.
    Madlen war machtlos gegen die Erleichterung, die sie durchströmte. Solange er all seine Sachen hier liegen hatte und Änderungen für das Sudhaus plante, würde er gewiss nicht einfach bei Nacht und ohne ein Wort verschwinden.
    Das, was sie suchte, war nicht in der Kiste. Sie sah unter der Matratze nach, doch auch dort fand sie nichts. Fast wäre sie über sein zweites Paar Stiefel gestolpert, die vor dem Bett standen. Einer fiel um, und da war es. Die kleine Pergamentrolle kullerte heraus, Madlen griff so schnell danach, dass sie in der Eile fast die Kerze fallen ließ. Sie setzte sich auf die Bodendielen, klemmte die Kerze zwischen ihre Füße und entrollte das knisternde Pergament. Grübelnd starrte sie die Schriftzüge an. Sie sahen ordentlich aus, leicht zur Seite geneigt und mit feiner Feder aneinandergereiht. Madlen hätte eine Menge darum gegeben, wenigstens ein paar Worte lesen zu können.
    Bald, schwor sie sich. Grimmig verstaute sie den Brief wieder dort, wo er vorher gewesen war. Sie vergewisserte sich sorgfältig, dass ihre Anwesenheit keine Spuren hinterlassen hatte. Ebenso leise, wie sie

Weitere Kostenlose Bücher