Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
er, du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du lebst dein Leben weiter wie immer und versiehst deine Aufgaben zur Zufriedenheit des neuen Burgherrn und dessen Vaters, oder …« Sewolt hielt inne.
»Oder was?«, wollte Johann wissen.
»Er sagte es nicht. Aber die Art, wie er es nicht sagte, ließ keinen Zweifel daran, was er meinte.« Sewolt erschauderte. »Ihr kennt ihn nicht. Niemand vermag sich vorzustellen, wozu Jobst imstande ist!«
Das vermochte Johann sehr wohl, schließlich hatte er mit eigenen Augen beobachtet, mit welcher routinierten Präzision besagter Jobst den Burgvogt zusammengeschlagen hatte. Die Abfolge seiner Bewegungen hatte beinahe einstudiert gewirkt, als erledige er dergleichen jeden Tag.
»Nun, vielleicht hilft es dir, dass die meisten Leute sich auch nicht vorstellen können, wozu ich imstande bin«, sagte Johann. »Bis auf jene natürlich, die wissen, warum ich zum Tode verurteilt wurde. Glaub mir, Sewolt, alles, was sie über mich sagen, ist wahr.« Er hielt kurz inne. »Nein, das ist nicht ganz richtig. In Wirklichkeit ist es viel schlimmer. Und was dich betrifft: Du kannst sehr sicher sein, dass ich weit bessere Gründe als jener Jobst oder sonst jemand habe, dir den Hals umzudrehen, und dass ich ohne Frage genauso wenig damit zögern würde, wie er es täte. Pass also gut auf, was ich dir nun sage.« Er schob Sewolt ein Stück von sich weg, damit der Mann sein Gesicht sah und begriff, wie ernst es ihm war. »Du wirst mit niemandem darüber reden, worüber wir heute Nacht gesprochen haben. Und du wirst hübsch die Ohren und die Augen offen halten, in jeder nur denkbaren Hinsicht. Sobald wir uns das nächste Mal treffen – und zweifle bloß nicht daran, dass dies bald geschieht –, wirst du mir getreulich alles berichten, was du zwischenzeitlich gehört oder gesehen hast, gleichviel, wie unwichtig oder nebensächlich es dir erscheint. Haben wir uns verstanden?«
»Ja, Domine «, sagte der Burgvogt. Im selben demütigen, unterwürfigen Ton, den er auch früher immer bei Johanns Vater angeschlagen hatte. Und vermutlich auch bei Wendel Hardefust. Sewolt war ein Opportunist reinsten Wassers, seine Loyalität reichte nicht weiter, als er springen konnte, und vielleicht nicht einmal bis dorthin.
Johann stieß ihn weg und wandte sich ab. Er ging davon, ohne zurückzusehen.
Am folgenden Tag hätte Madlen fast wieder verschlafen, denn nachdem sie am Vortag bis zum Abend im Bett gelegen hatte, war ihr in der Nacht kaum Schlaf vergönnt gewesen, vor allem nicht, nachdem sie Johanns Zimmer durchsucht und den Brief gefunden hatte. Sie hatte endlos lange wach gelegen und war erst in den letzten Stunden vor dem Morgengrauen in einen unruhigen Schlummer gesunken. Hätte Irmla nicht mit lautem Scheppern einen Topf fallen lassen, wäre Madlen womöglich wieder erst um die Mittagszeit zu sich gekommen. Sie sprang aus dem Bett und zog sich in Windeseile an. Das Frühstück ließ sie ausfallen, es gab ohnehin nur die übliche klumpige Hafergrütze. Sie begnügte sich mit einem großen Becher kühlen, süßen Biers, das sie in der Schänke zapfte und gleich dort trank, bevor sie ins Sudhaus hinüberging. Caspar und die Lehrjungen waren schon bei der Arbeit, doch Johann war nirgends zu sehen. Dann hörte sie Schritte über sich im Dachgeschoss. Tief durchatmend, beschloss sie augenblicklich, den Stier bei den Hörnern zu packen. Sie kletterte die Stiege hoch und fand Johann bei der Darre stehend, allerlei Berechnungen auf seine Wachstafel kritzelnd.
»Guten Morgen«, sagte sie ein wenig hölzern.
Er blickte über die Schulter und erwiderte ihren Gruß freundlich, aber erkennbar zurückhaltend. Sie trat neben ihn.
»Was hast du mit der Darre vor?«, erkundigte sie sich mit einem Hauch Misstrauen in der Stimme. »Du willst sie doch nicht etwa umbauen?«
»Nicht umbauen, nur etwas ändern.« Er tat einen Schritt zu ihr hin. Dicht neben ihr stehend, zeigte er ihr seine Zeichnung. »Schau her. Ich will im Inneren der Darre auf mittlerer Höhe Eisenkrampen einschlagen, die ein Blech tragen können.«
»Was für ein Blech?«
»Eines, auf dem das Malz angeröstet werden kann. Wir könnten es beim Schmied passend anfertigen lassen.«
Er hatte schon einmal davon gesprochen, dass Bier, welches mit dunklerem Malz gebraut werde, sehr schmackhaft sei, doch Madlen hatte es nicht recht glauben wollen.
»Bier aus angebranntem Malz schmeckt nach Kohle«, sagte sie.
»Ich sprach nicht von anbrennen, sondern
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