Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
hergeschlichen war, kehrte sie schließlich wieder in ihre eigene Kammer zurück.
Johann bog von der Schildergasse in Richtung Streitgasse ab, eilte an Sankt Kolumba und dem Kloster der Minderen Brüder vorbei und hatte gleich darauf die Schmierstraße erreicht, die an der alten Stadtmauer entlangführte. Als er nach der Herberge Ausschau hielt, kam der Nachtwächter vorbeigeritten. Die Hufe seines zottigen Gauls klapperten auf dem Weg, die hochgehaltene Lampe beleuchtete ein verdrossenes, müdes Gesicht. Johann drückte sich in eine Toreinfahrt und wartete, bis der Mann außer Sicht war. Wenig später hatte er die Herberge gefunden, ein windschiefes, nicht sonderlich vertrauenerweckendes Anwesen, über dessen Eingang ein bemaltes Holzschild baumelte, auf dem mit groben Strichen ein Ochse gemalt war. Johann hämmerte ohne großes Federlesens an die Tür. Es dauerte eine Weile, bis ihm eine zahnlose, aber erkennbar zum Zanken aufgelegte Wirtin die Tür aufmachte. »Wir haben nichts mehr frei«, schnauzte sie ihn an.
»Ich will kein Logis. Nur mit jemandem reden, der bei Euch übernachtet.«
»Meine Gäste wollen nicht gestört werden.«
Er zauberte ein Geldstück hervor und hielt es ihr vor die Nase, und zugleich hob er die Laterne, damit sie sehen konnte, dass es aus Silber war. Sie schielte es begehrlich an. »Ist es denn wichtig?«
»Sehr wichtig. Es ist jemand gestorben, der ihm sehr nahestand.«
»Wie ist sein Name?«
»Sewolt. Er ist ungefähr fünfzig und kommt aus Kerpen.«
»Ah, der. Er kann sowieso nicht schlafen, eben war er noch hier unten und wollte starken Wein.«
»Den kann er mit mir trinken. Schickt ihn zu mir raus.«
Die Alte zögerte, doch das Geldstück blinkte zu verführerisch. Sie schnappte es sich und schlug die Tür zu. Johann hörte Schritte und ein paar halblaute Worte, dann ging die Tür wieder auf und Sewolt stand vor ihm. Er machte Anstalten, die Tür sofort wieder zuzuschlagen, doch Johann war schneller. Er packte den Mann beim Wams und zog ihn zu sich auf die Gasse.
»Wenn du schreist, töte ich dich«, zischte er ihm ins Ohr, dann zerrte er den protestierenden Sewolt vom Haus weg, an der Einmündung einer dunklen Gasse vorbei, an deren Namen Johann sich trotz der vielen Jahre in der Fremde erinnerte, weil er ihn als Kind lustig gefunden hatte. Sie hieß Katzenbauch, da sie an einer Stelle einen Schlenker machte, der besagtem Körperteil ähnelte. Ein Stück weiter hörte die Bebauung auf, rechter Hand tat sich freies Feld auf. Hier würde sie so schnell niemand sehen und hören.
Sewolt hielt sich die Hand vor den Mund, im spärlichen Schein der kleinen Talgleuchte war sein Gesicht schmerzverzerrt, obwohl Johann ihn nicht besonders hart angefasst hatte. Noch nicht.
Dann nahm der Mann die Hand herunter und entblößte eine monströs geschwollene Wange. Offenbar hatte der Zahnreißer ganze Arbeit geleistet. Johann betrachtete Sewolt mitleidlos.
»Ich hatte dir gesagt, dass ich zurückkomme, um noch einmal mit dir zu sprechen. Diesmal ist niemand von deinen neuen Herren in der Nähe, um uns zu stören. Also rede.«
»Ich hatte doch schon gesagt, dass ich nichts weiß.« Sewolts Stimme klang weinerlich, er stank nach Wein, doch er war in jedem Fall nüchtern genug, um sich an das zu erinnern, was Johann von ihm wissen wollte. Das schlechte Gewissen stand ihm im Gesicht geschrieben.
»Zwing mich nicht, dir wehzutun«, sagte Johann kalt.
»Was soll ich Euch denn erzählen?«, kam es jammernd zurück.
»Fang von vorne an. Gleich mit der Zeit nach meinem Aufbruch vor fünfzehn Jahren.«
»Alles war wie immer«, stieß Sewolt hervor. Er hielt sich wieder die Wange, aus seinem Mundwinkel lief ein blutiger Spuckefaden, seine Stimme klang verwaschen. »Bis Euer Vater starb.«
»Berichte mir von seinem Tod. Ich will alles wissen.«
»Er bekam ein Fieber und war lange krank, es dauerte Monate.«
»Willst du behaupten, er starb von allein?«
Sewolt nickte. »Es war Gottes Wille.«
»Lass Gott aus dem Spiel!« Johann packte den Mann bei der Hemdbrust und zerrte ihn zu sich heran. Die Lampe, die er in der anderen Hand hielt, warf ein flackerndes Licht auf die angstvollen Züge des Burgvogts. »Weiter!«, befahl er.
»Euer Vater starb, versehen mit den Sakramenten unserer Heiligen Kirche. Er fand sein Grab auf dem Friedhof zu Kerpen.«
Johann hatte nach dem Grab gesucht, doch es war längst eingeebnet worden, nicht einmal ein Grabstein war dort belassen worden. Über den Tod
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