Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
müssen, somit kann es dir nicht entgangen sein! Und jetzt ist er schon wieder nicht da! Wo steckt der missratene Bengel? Unterstützt du etwa sein sündiges Tun auch noch?«
»Wie kannst du das glauben!« Rasch setzte er hinzu: »Gesetzt den Fall, er wäre wirklich wieder dort gewesen – es gibt weit Schlimmeres, was ein junger Mann tun könnte.« Er dachte kurz nach, um etwas hinreichend Scheußliches präsentieren zu können. »Beispielsweise Dinge, die wider die Natur sind.«
Er musste nicht näher ausführen, was er damit meinte. Seine Frau wurde rot, ihre Schamgrenze war verletzt, doch immerhin hatte Eberhard die Sünden seines Sohnes erfolgreich in ein milderes Licht gerückt. Wobei Jacops Treiben durchaus hartes Einschreiten verdient hätte. Nicht unbedingt seine häufigen Besuche bei der entzückenden jungen Appolonia, der noch ganz andere Männer als sein Sohn willenlos zu Füßen lagen. Sondern die Art und Weise, wie er diese Leidenschaft zu finanzieren pflegte. War Eberhard bislang geneigt gewesen, beide Augen zuzudrücken, so musste er nun wohl bald etwas unternehmen. Eberhard zahlte Jacop den regulären Gesellenlohn, zudem hatte der Junge keine Kosten für Logis und Essen, er konnte folglich alles zur Erfüllung seiner geheimen Bedürfnisse ausgeben. Das tat er offenbar mit solchem Eifer, dass diese Bedürfnisse davon erst recht ins Uferlose wuchsen. Anneke hatte bereits eine Magd aus dem Haus geworfen, weil sie davon überzeugt war, die Frau habe sie bestohlen.
Eberhard seufzte schwer. Alles hätte so einfach sein können, wenn Madlen sich für Jacop entschieden hätte. Zwar konnte Eberhard ihr wahrlich nicht übelnehmen, dass sie den Jungen verschmäht hatte, doch wäre nicht dieser geheimnisumwitterte Fremde aufgetaucht und hätte nicht Jacop alles darangesetzt, dass Madlen sich diesen zum Gemahl auserkor, hätte sie gewiss Jacop gewählt, dann hätten sich alle Schwierigkeiten längst von allein erledigt. Madlen hätte es ohne jede Frage unterbunden, dass Jacop sich weiter mit Appolonia verlustierte. Vor allem hätte sie nicht geduldet, dass er auch nur einen Pfennig ihres Geldes dafür verschwendete. Nicht etwa, weil sie mehr Durchsetzungskraft besaß als Anneke, sondern weil sie um einiges scharfsinniger war und Jacop deshalb viel schneller auf die Schliche gekommen wäre, sogar schon bevor er erst dazu hätte ansetzen können, sich neuen Unfug auszudenken. Hinzu kam, dass Jacop als Madlens Ehemann gewiss bald von selbst sein heimliches Laster aufgegeben hätte, denn Madlen war ein allerliebstes Geschöpf, jung und frisch wie eine Frühlingsblume. Wer so ein Weib im Bett hatte, brauchte nicht die Dienste einer Kurtisane, auch wenn diese sich noch so sehr darauf verstand, die Männer zu umgarnen.
Eberhard stand vor dem Brauhaus und war tief in seine trüben Gedanken versunken, aus denen er unvermittelt gerissen wurde, als sein Sohn vor ihn hintrat. Eberhard hatte ihn nicht kommen sehen und war entsprechend erschrocken. »Warum schleichst du dich so an?«
»Ich bin doch ganz offen die Straße heraufgekommen, Vater.«
Das mochte zutreffen, minderte aber Eberhards Groll auf Jacop nicht. Er rang sich dazu durch, das Unausweichliche in Angriff zu nehmen. »Ich muss ein ernstes Wort mit dir reden.«
»Ich auch mit dir!«, gab Jacop mit eifrig funkelnden Augen zurück. »Es ist gut, dass du hier draußen bist, so kann ich unter vier Augen mit dir darüber sprechen. Du glaubst nicht, was ich heute erfahren habe!«
»Du wirst es mir sicher gleich erzählen«, versetzte Eberhard, wobei sich schwache Erleichterung in seine Verdrießlichkeit mischte, denn solange Jacop sprach, konnte er selbst seine Ermahnungen – womöglich sogar Drohungen, denn mit schlichten Belehrungen war Jacop ja nicht mehr beizukommen – auf später verschieben und sich passende Worte dafür zurechtlegen.
»Es ist eine Verschwörung im Gange!«, flüsterte Jacop, während er sich nach allen Seiten umsah, um sicherzustellen, dass niemand außer seinem Vater ihn hörte. »Und zwar an allerhöchster Stelle!«
»Was meinst du damit?«
»Die Geschlechter planen, die Zünfte und Bürger zu unterwerfen und sie ihrer alleinigen Befehlsgewalt untertan zu machen.«
»Wer hat das gesagt?«
»Das ist geheim«, behauptete Jacop.
Eberhard entging nicht die Röte, die in die Wangen seines missratenen Sohnes gestiegen war, und er dachte sich seinen Teil. »Was wurde noch darüber gesagt?«, wollte er wissen, gegen seinen Willen nun
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