Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
überglücklich gewesen, ihn ihr schenken zu können.
Heute hatte er seiner Mutter nur einen Pfennig gestohlen, der würde ausnahmsweise reichen, denn der Rest war ihm von Hermann erlassen worden, weil er seinem Vater die ominöse Botschaft überbracht hatte, so wie Hermann es ihm aufgetragen hatte. Für das Geld musste er auch Madlens Mann noch eine Botschaft übermitteln, doch das hatte Zeit bis später.
Zuerst stand sein Treffen mit Appolonia an … Jacop spürte sein Herz in der Kehle pochen, wenn er nur daran dachte, dass er sie gleich in die Arme schließen durfte. Seine Liebe zu ihr war stetig weitergewachsen, er konnte sich nicht mehr vorstellen, jemals wieder ohne sie zu sein. Mittlerweile hatte er sich sogar mit Hermann abgefunden. Er fürchtete sich zwar immer noch vor dem Scharfrichter – wer tat das nicht! –, aber es half ja nichts. Deshalb stellte Jacop sich einfach vor, dass Hermann Appolonias Vormund sei. Damit ließ es sich leben.
Nicht jedoch damit, dass er wenig später jemanden aus Appolonias Kammer kommen sah, mit dem er zuallerletzt gerechnet hatte.
Hermann hatte soeben seinen Pfennig kassiert und ihm launig mitgeteilt, dass Appolonia gleich so weit sei, es könne nur noch einige Augenblicke dauern, und Jacop hatte sich bereits auf die unterste Stufe der Stiege gesetzt und ungeduldig über die Schulter nach oben geblickt. Daher sah er auch, dass die Tür von Appolonias Kammer aufging, nicht etwa bei Kunlein.
Er starrte den Mann an, zunächst davon überzeugt, es müsse sich um ein Trugbild handeln. Es konnte nur jemand sein, der Barthel lediglich entfernt ähnlich sah.
Doch dem war nicht so.
Jacop stieß einen Schrei aus und sprang auf. Er hatte Barthel am Hals gepackt, bevor dieser noch wusste, wie ihm geschah. Er würgte den dürren Braumeister aus Leibeskräften, und es störte ihn nicht im Mindesten, dass ihm dabei durch die breite Zahnlücke Zischlaute entgegendrangen, die Spucke über sein gesamtes Gesicht verteilten. Es klang wie Mistkerl .
Gleich darauf wurde Jacop ruckartig zurückgerissen, seine Hände lösten sich von Barthels Kehle, dieser torkelte haltlos gegen die Treppe und ächzte erbarmungswürdig.
»Aber Jacop«, sagte Hermann mit mildem Tadel. Er klopfte sich den Surcot ab und strich sich das makellos frisierte Haar glatt. »Was soll das denn? Dergleichen dulden wir nicht, sonst hätten wir hier bald die schlimmsten Verhältnisse. Männer, die sich schlagen, überantworten wir dem Gewaltrichter, nur so können wir auf Dauer Frieden halten.« Mit fragendem Lächeln wandte er sich an Barthel. »Möchtest du Jacop anzeigen, mein Junge?«
Der nickte krampfartig. »Er hat versucht, mich zu töten!«
»Nun gut. Ich schicke Kunlein die Büttel holen. Du kannst gleich mit ihr gehen und aussagen.«
»Äh … aussagen?« Barthel massierte sich den malträtierten Adamsapfel und sah verschreckt drein.
»Aber sicher. Du musst doch erzählen, worum der Streit ging. Dass ihr euch um Appolonia geschlagen habt.«
Barthel blickte unsicher von einem zum anderen, dann zog er die Schultern hoch. »Es ist ja im Grunde nichts weiter geschehen.«
Jacop starrte ihn an, er wollte den Kerl immer noch tot sehen. Doch er sah ein, dass es einige unerfreuliche Ereignisse in Gang bringen würde, wenn er wegen seines Verhaltens mit der Obrigkeit in Konflikt käme. Seine Mutter würde es am Ende gar gutheißen, dass der Gewaltrichter ihn in den Turm sperrte.
Barthel zog von dannen, nicht ohne einen mörderischen Blick zurückzuwerfen.
»Du hast dir einen Feind gemacht, mein Junge.« Hermann blickte Barthel stirnrunzelnd hinterher.
»Er hasst mich sowieso.«
»Was hast du ihm getan? Ich meine abgesehen davon, dass du eben versucht hast, ihn zu erwürgen.«
»Er wollte Madlen heiraten, und er denkt, ich habe sie eigens dem anderen zugeführt, um sein Glück zu ruinieren. Er versucht immer noch, die Ungültigkeit der Ehe zu beweisen.« Sorgenvoll blickte er auf seine Füße, das enthob ihn der Notwendigkeit, Hermann anzusehen. Er begegnete diesem Mann einfach zu oft.
Hermann schien die Sache mit Barthel nicht weiter wichtig zu finden. »Jacop, du denkst doch an unsere kleine Abmachung, oder?«
Widerstrebend sah Jacop auf. »Gewiss. Mit meinem Vater habe ich schon gesprochen. Zu Madlen gehe ich auch heute noch. Aber zuerst will ich zu Appolonia.« Verletzt blickte er den Scharfrichter an. »Wieso durfte Barthel überhaupt zu ihr?«
»Was glaubst du wohl?«
»Weil er bezahlt hat?«
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