Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
wenn es so weit ist, unbedingt vorsehen, denn der Hardefust würde eine bewaffnete Unruhe in der Stadt gewiss ausnutzen, um Euch umzubringen. Neben ein paar anderen, die er auch nicht leiden kann. So sagte es mir jedenfalls Hermann. Ich geb’s nur weiter.« Verunsichert blickte er von Johann zu Madlen und wieder zurück. »Ich weiß nicht, was genau er damit gemeint hat. Aber vielleicht könnt Ihr Euch selbst einen Reim darauf machen.«
»Wer ist Appolonia?«, fragte Madlen.
Johann blickte sie kurz an. »Eine von des Scharfrichters hübscheren Hürchen.«
Madlen bedachte Jacop mit wütenden Blicken. »Was ist los mit dir? Stehst du neuerdings in den Diensten des Henkers? Oder bist du gar sein Freund?«
Er zog den Kopf ein. »Hermann ist auch nur ein Mensch.« Vorwurfsvoll blinzelnd fügte er hinzu: »Vergiss nicht, er hat euch gewissermaßen zusammengebracht und dir eine schreckliche Ehe erspart.« Er hielt kurz inne und fügte ergänzend an: »Mit Barthel.« Sich räuspernd, äugte er hoffnungsvoll zu Johann hoch. »Was wollt Ihr nun gegen den Kerl unternehmen? Ihr seht doch ein, dass die Welt ohne ihn besser dran ist, oder? Ich finde, Ihr solltet in Betracht ziehen …«
Johann schnitt ihm das Wort ab. »Hast du sonst noch irgendwelche Nachrichten zu überbringen?«
Stumm schüttelte Jacop den Kopf. Im nächsten Moment hatte Johann Madlen ins Haus zurückgezogen und ihm die Tür vor der Nase zugeknallt. Jacop lauschte dem Geräusch des Eisenriegels, dann wurde ein zweiter Riegel vorgelegt, und anschließend setzte drinnen in der Stube eine Unterhaltung ein, die er jedoch nicht verstehen konnte, da zu leise gesprochen wurde.
Lauschend blieb er noch einige Augenblicke stehen, bevor er achselzuckend seiner Wege ging.
In der Stube ließ es sich schlecht über die verstörenden Botschaften reden, die Jacop überbracht hatte, denn sie waren nicht allein. Das Vespermahl war zwar schon beendet, Caspar und die Jungen waren bereits ins Brauhaus zurückgekehrt, aber Veit und Cuntz saßen am Tisch, und Irmla werkelte an der Kochstelle herum. Madlen rutschte auf ihrem Schemel hin und her und verging fast vor Unruhe, während Johann die Ruhe selbst zu sein schien. Er redete mit Veit und Cuntz über Alltägliches, als sei Jacop gar nicht hier gewesen. Als Cuntz gefragt hatte, was Jacop gewollt habe, hatte Johann beiläufig behauptet, Jacop habe ihn im Namen seines Vaters zur nächsten Zunftsitzung eingeladen; anscheinend wollte er den Alten nicht beunruhigen. An Veits Miene bemerkte Madlen jedoch, dass dieser sich, anders als Großvater, nicht damit abspeisen ließ. Dank seines scharfen Gehörs hatte er vermutlich ohnehin jedes Wort der vor der Tür geführten Unterhaltung mitbekommen.
Schließlich hielt sie es nicht länger aus. Abrupt schob sie den Schemel zurück und stand auf. »Ich gehe nach oben«, sagte sie zu niemandem im Besonderen, doch sie hoffte, dass Johann den Wink verstand.
In ihrer Kammer kniete sie sich auf den Betschemel, um Zwiesprache mit der heiligen Ursula zu halten, doch sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Rastlos erhob sie sich wieder und ging in der Kammer hin und her, vom Fenster, dessen Läden noch aufgeklappt waren, bis zur rückwärtigen Seite, wo sich der Bettalkoven befand. Ungeduldig zerrte sie sich das Gebende vom Kopf und schleuderte es auf ihre Kleiderkiste, dann streifte sie die Schuhe ab, weil die Sohlen auf den Bodendielen hallten. Sie warf sie von sich, und das Poltern, mit dem sie in der Ecke landeten, fiel mit den dumpfen Tritten auf der Stiege zusammen. Er war ihr nach oben gefolgt. Ein kurzes Klopfen an der Tür, ihr gedämpftes Herein , dann stand er in der Kammer, die hochgewachsene Gestalt viel zu groß für den engen, niedrigen Raum. Er zog die Tür hinter sich zu und blickte sie an.
»Du willst mit mir reden.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
Madlen hatte sich vorher sorgfältig zurechtgelegt, welche Fragen sie ihm stellen wollte, doch da er selbst das Gespräch eröffnet hatte, geriet alles durcheinander, deshalb platzte sie zu ihrem Schreck ausgerechnet mit der einen Frage heraus, die sie sich hatte verkneifen wollen.
»Woher kennst du die Frau?«
»Welche Frau?«
»Diese Appolonia.«
»Ich kenne sie gar nicht.«
»Aber du hast gesagt, sie sei eine hübsche Hure. Also musst du sie schon gesehen haben.«
Johann blickte sie mit unergründlicher Miene an. »Madlen, warum willst du das wissen?«
Sie rang nach Worten, doch seine Frage hatte ihr so
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