Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
die Frage wiederholen, um zu Madlen vorzudringen. Sie besann sich. »Ja, tu das.«
»Soll ich noch eins von dem Ingwerbier nehmen, von dem ich die Würze gemacht habe?« Er musterte sie hoffnungsvoll. »Es hat den Leuten gut geschmeckt, oder?«
Sie nickte und sah dabei durch ihn hindurch, in Gedanken immer noch mit Johann beschäftigt. Caspars Gesicht verschloss sich. Madlen bemerkte es und beteuerte sofort, dass sein Bier großartig sei und dass die Leute es liebten, doch der richtige Moment war bereits vertan, es klang aufgesetzt und bemüht.
Caspar hatte sich wortlos abgewandt und machte sich an dem Fass zu schaffen. Johann schichtete die noch verbliebenen Fässer um, sodass man sie besser vom Wagen heben konnte. Madlen wandte sich seufzend wieder der kauflustigen Menge zu, doch die Freude am Markttreiben war ihr verdorben.
Johann bemerkte wohl, dass sie trübseliger Stimmung war, doch er hatte seine eigenen Sorgen. Er dachte an das vorangegangene Gespräch mit Sewolt. Der Burgvogt hatte ihm an einer Ecke des Alter Markts aufgelauert und ihn in eine der engen Budengassen gezogen.
»Ich habe Augen und Ohren aufgehalten, so wie Ihr es wolltet«, flüsterte er, sich gehetzt nach allen Seiten umblickend. »Es soll am Palmsonntag geschehen.«
»Was?«
»Hardefust will einen bewaffneten Aufruhr anzetteln. Er plant, auch Euch an diesem Tag anzugreifen und es so aussehen zu lassen, als habe er damit nichts zu tun. Seht Euch also vor.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand im Gewühl. Johann starrte ihm nach. Also stimmte es, was Jacop erzählt hatte. Es würde blutige Unruhen in der Stadt geben. Der Sonntag war immer ein guter Tag, um Kämpfe anzuzetteln, da waren alle, die es anging, beisammen – in den Kirchen. Nirgendwo brachte man schneller so viele bewaffnete Anhänger zusammen wie dort. Hardefust würde sich seine Hauskirche dafür aussuchen und einen Zwist gegen Zunftleute anzetteln, es wäre ein Kinderspiel, sie in Rage zu versetzen. Dann musste er nur noch genug Männer aus der Richerzeche sowie deren Gefolgsmänner um sich scharen, und schon gäbe es in der Stadt Krieg. Johann plante im Geiste bereits, wie er sich und die Seinen vor den Plänen des Hardefust schützen konnte.
Madlens Laune erfuhr merklich Auftrieb, als sie später am Tag ihre übliche Rechenstunde bei Johann hatte. Diese Zeit des Tages war ihr kostbar, sie freute sich schon Stunden vorher darauf, und nicht einmal das Wissen, dass es vielleicht schon in wenigen Wochen damit vorbei wäre, konnte ihr den Spaß daran nehmen. Das Rechnen fiel ihr wesentlich leichter als das Schreiben, was ihr zuerst nicht hatte einleuchten wollen, doch Johann hatte gemeint, es liege daran, dass sie es im Grunde schon vorher beherrscht und vielfach geübt hatte, es hätten ihr nur die mathematischen Methoden zur Vereinfachung gefehlt, weshalb sie es nun, da ihr beides zur Verfügung stehe, so leicht damit habe. Madlen begeisterte sich am Dividieren ebenso wie schon zuvor am Multiplizieren, und auch an der Methode des Kürzens fand sie Gefallen. Als Johann ihr den Dreisatz erläuterte, kannte ihr Entzücken keine Grenzen. Sie erfasste sofort den praktischen Nutzen dieser Rechenmethode für ihre Arbeit und machte sich eifrig daran, es auf bestimmte Mengen einzelner Zutaten beim Brauen anzuwenden.
Inzwischen machte es ihr auch nichts mehr aus, wenn andere während ihres Unterrichts zugegen waren. Veit und Cuntz saßen mit am Tisch und verfolgten ihre Bemühungen mit stillem Vergnügen. Cuntz barst fast vor Stolz, er erklärte, schon seine verstorbene Tochter, Madlens Mutter, sei ein helles Köpfchen gewesen, sie habe jedes Gebet nach nur einmaligem Hören auswendig gekannt, nur leider habe zu jenen Zeiten kein Mensch daran gedacht, ihr das Rechnen oder Lesen beizubringen. Veit erklärte daraufhin, dass auch heute noch kaum jemand daran denke, eine Frau dergleichen zu lehren, was vornehmlich daran liege, dass Frauen viel weniger Verstand besäßen als Männer. Als Cuntz skeptisch den Kopf wiegte und Madlen wütend schnaubte, lachte Veit und erklärte, es sei ein Scherz gewesen, denn diese Behauptung werde zumeist von Männern aufgestellt, die kaum je eine Frau aus der Nähe gesehen hätten – gelehrten Mönchen hinter Klostermauern.
Madlen warf Johann während ihrer Rechenübungen hin und wieder einen Blick von der Seite zu. Er saß dicht bei ihr und legte ihr häufig die Hand auf den Rücken oder neigte sich zu ihr, was sie jedes Mal für
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