Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
dich um Verzeihung bitten. Was ich getan habe, war nicht recht.« Ein entsagungsvoller Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Ich habe schon längst eingesehen, dass ich früher hätte aufgeben müssen, doch ich wollte nicht wahrhaben, dass du für einen anderen Mann bestimmt bist.«
In Madlen erwachte der Zorn. »Du besitzt die Frechheit, dich vor mich hinzustellen und so eine Lüge zu erzählen?«
»Wieso Lüge?«, fragte er verdattert. »Ich habe wirklich bereut, dass …«
»Halt den Mund!«, fuhr sie ihn an. »Erst vor drei Tagen hörte ich, was du vorhast! Aber versuch es nur! Dann wirst du erleben, was es bedeutet, sich vor aller Welt lächerlich zu machen.«
»Ich weiß nicht, was du meinst!«, rief er aus. »Madlen, ich ahne, dass die Leute dir hässliche Dinge über mich erzählen! Aber das ist nicht wahr! Ich schwöre dir, ich habe mich damit abgefunden, dass du einen anderen genommen hast. Schon seit Wochen!«
Er sah sie mit solcher Aufrichtigkeit an, dass sie nicht mehr wusste, was sie glauben sollte. Einer log, entweder Jacop oder Barthel. Und da Jacop sie schon öfter angeschwindelt hatte, war es durchaus möglich, dass er der Lügner war.
»Nun gut«, beschied sie ihn kühl. »Dann sei es so, wie du es behauptest, und ich will dir nichts weiter unterstellen. Falls dir aber immer noch der Sinn danach stehen sollte, mich wieder ledig zu sehen, so solltest du wissen, dass Johann und ich uns ein weiteres Mal die Treue geschworen haben, um einen möglichen Makel vom ersten Mal wettzumachen.« Mit Bedacht fügte sie hinzu: »Wobei ich bestreite, dass es einen solchen Makel überhaupt gab. Wie auch immer, wir sind Mann und Frau, und zwar in jeder Beziehung.« Herausfordernd musterte sie Barthel, der immer kleiner zu werden schien und erbleichend über ihre Schulter blickte. Sie wandte sich um und sah Johann näher kommen. Barthel eilte stolpernd zurück zu seinem Fuhrwerk. Er kletterte auf den Bock und trieb das Pferd an. Der anrollende Wagen verscheuchte einige Frauen, die mit ihren Bauchläden Bücklinge feilboten und keifend zur Seite wichen. Gleich darauf war das Fuhrwerk mit schwerfälligem Schaukeln in Richtung Klein Sankt Martin verschwunden.
Johann blieb neben Madlen stehen. Er legte ihr die Hand in den Nacken, neigte sich zu ihr und gab ihr einen kurzen, aber festen Kuss auf die Stirn. Madlen merkte, wie sie rot wurde. Sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass er keine Gelegenheit ausließ, ihre neue Vertrautheit in der Öffentlichkeit zu bekunden. Dabei tat er nichts, was unschicklich gewesen wäre, doch sittsame Zurückhaltung erlegte er sich auch nicht auf.
»War das gerade nicht Barthel? Was wollte er?«
»Mir sagen, dass er aufgehört hat, mich für sich gewinnen zu wollen.«
»Ah, das ist eine gute Nachricht.« Es klang eher zerstreut als erleichtert. Auch in seinem Gesicht war nichts zu entdecken, das auf etwaige Eifersucht hingedeutet hätte. Offenbar war ihm diese Regung fremd, was man von ihr nicht sagen konnte. Die Frage, ob und woher er die ominöse Appolonia kannte, war immer noch ungeklärt. Und der Brief von dieser Ursel steckte inzwischen in seiner Kleiderkiste, Madlen hatte keine Schwierigkeiten gehabt, ihn dort zu finden. Sie holte ihn regelmäßig heraus und sah ihn sich an, doch bislang hatte sie trotz ihrer täglichen Unterrichtsstunden nur wenige Worte entziffern können. Eines davon war Liebe und ein anderes immer . Von einem weiteren hätte sie schwören können, dass es Küsse bedeutete. Er hätte den Brief auch wegwerfen können, aber er hatte es nicht getan. Vielleicht mochte er solche Briefe, schließlich hatte er auch mit besagter Grete Liebesgedichte ausgetauscht. Frauen, die lesen und schreiben konnten und sich in Samt und Seide kleideten, entsprachen eher dem Stand eines Ritters als eine einfache Brauerin, die ihm nichts bieten konnte als harte Arbeit und miserabel schmeckendes Essen. Das, was sie mittlerweile jede Nacht im Bett taten, konnte er sich genauso gut auch woanders holen. Lange würde er ohnedies nicht mehr bleiben, das hatte er schließlich gleich zu Beginn klargestellt. Sie hatte seine Worte noch genau im Ohr. Höchstens bis zum Sommeranfang .
Johann stellte einen weiteren Korb mit Einkäufen auf die Ladefläche des Fuhrwerks und betrachtete anerkennend die zusammengeschrumpfte Reihe der Fässer. »Du bist einiges losgeworden.«
»Ja«, sagte sie wortkarg.
»Soll ich nun noch ein Fass anstechen oder nicht?«, wollte Caspar wissen. Er musste
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