Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
tauchten wie aus dem Nichts auf. Einer schwang einen Knüppel, ein weiterer reckte drohend sein Kurzschwert. Inmitten des Gerangels zog einer der Männer aus der Gruppe des Grauhaarigen ein Messer, es war der Mann … der Mann von früher . Er hob den Dolch und stieß ihn einem der Zunftmänner in den Bauch. Zog es heraus. Stach es erneut hinein. Noch einmal. Und wieder. Blut spritzte heraus, der Verletzte brach in die Knie und hielt sich den Leib.
Juliana presste beide Hände auf ihren Bauch. Dicht unter die Rippen. Sie konnte nicht atmen. Nicht weglaufen. Nur die Augen schließen.
Es roch nach Kräutern.
»Hier ist noch mehr Minze, Mutter!« Blithildis drehte sich zu ihrer Mutter um, die über den Uferstreifen wanderte, den Leinensack am Gürtel und die Hände grün vom Pflücken. Sie sammelten wilde Minze, um sie zu trocknen. Im Winter würden sie Heiltränke davon zubereiten oder sie in der Küche zum Würzen verwenden. Blithildis pflückte eifrig die am Seeufer wachsenden Triebe und brachte sie ihrer Mutter. Die Mutter sog scharf die Luft ein, und für einen Augenblick dachte Blithildis, sie habe ihr versehentlich wehgetan oder ihr Brennnessel- statt Minzezweige gegeben, aber dann sah sie, dass die Mutter nicht vor Schmerz, sondern vor Angst die Luft anhielt. Blithildis drehte sich um, und nun sah sie es auch. Männer kamen über den Wall geritten, sie waren zu sechst. Und sie waren schnell, sie hatten ihre Pferde zum Galopp getrieben. Es waren Bewaffnete, sie trugen Harnische und Helme, die in der Sonne blitzten.
»Mutter?«, fragte Blithildis unsicher.
Ihre Mutter gab ihr einen Schubs. »Lauf!«, schrie sie.
Und Blithildis lief. Sie rannte auf das Tor in der schützenden Mauer der Burg zu, doch es war viel zu weit weg. Die Männer kamen rasch näher, sie hörte die Mutter hinter sich schreien und fuhr herum. Einer der Reiter hatte sie gepackt und zu sich aufs Pferd gezerrt.
»Mutter!«, schrie Blithildis.
Dann hatten die Männer auch sie erreicht. Einer griff herab, fast nachlässig, zerrte sie am Haar zu sich heran, hob sie hoch und warf sie quer über den Sattel. Sie kreischte vor Schmerz und Angst, und da schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht, sodass ihr schwarz vor Augen wurde. Als sie wieder zu sich kam, ritten sie immer noch, sie lag vor dem Mann auf dem Pferderücken, ihr Kopf nach unten hängend, das lange Haar am Boden schleifend. Sonst sah sie nichts. Nur ihr Haar und einen Stiefel, der in einem Steigbügel steckte. Wieder fing sie an zu schreien. Der Mann zügelte das Pferd und zerrte sie herab. In wilder Furcht blickte sie sich um. Sie befand sich in einer menschenleeren Gegend. Ungefähr hundert Schritte entfernt floss der Rhein. Von den übrigen Reitern war keiner mehr zu sehen.
»Wo ist meine Mutter?«, schrie sie.
»Da, wo du auch bald bist«, sagte der Mann. Er war jung, vielleicht Mitte zwanzig, und er sah ganz alltäglich aus. Sehnig und kräftig, braunes Haar, glatte Gesichtszüge und bartlose Wangen. Nichts an seinen Zügen deutete darauf hin, dass er böse war.
»Bitte«, stieß sie weinend hervor. »Lasst mich gehen! Ich habe Euch doch nichts getan!«
»Du hast recht«, sagte er. »Du bist ein unschuldiges Mädchen. Ich sollte dir helfen. Wie ist dein Name?«
»Blithildis.« Sie sagte es halb schluchzend, halb stammelnd.
»Ich bin Jobst. Komm. Ich bringe dich in Sicherheit, dann kann dir keiner mehr was tun.« Er streckte die Arme aus und sah sie dabei mitfühlend an. Sie ließ sich täuschen, denn sie wollte ihm glauben. Zögernd ging sie auf ihn zu. Er hieb ihr mit der Faust in den Magen und trat ihr die Füße weg. Dann griff er sich in den Schritt und öffnete seine Bruche. »Bald darfst du zu deiner Mutter, nur eine kleine Weile noch. Sagte ich schon, dass sie tot ist?« Bevor er sich auf sie warf und ihr die Kleider vom Leib riss, lächelte er.
Mit einem langgezogenen Keuchen kam sie zu sich, als jemand grob gegen sie stieß. Die Menge war in Bewegung geraten, die beiden verfeindeten Gruppen scharten ihre jeweiligen Anhänger um sich und drängten ins Freie. Überall ertönte Geschrei, sei es vor Wut oder Schmerz. Die Kämpfe hielten an, Rufe nach Unterstützung wurden laut. Holt die Weber, holt die Brauer, holt die Fleischer! Blithildis sah einen Mann stöhnend zusammenbrechen, einen anderen seitlich wegtaumeln, beide Hände vor dem blutbeschmierten Gesicht. Einer der Zunftmeister sammelte die Männer aus seiner Bruderschaft um sich. »Das soll er büßen!«,
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