Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Übrigen anschlossen, die zu neuen Kämpfen aufbrachen.
Wendel Hardefust hatte sich mit Jobst und zwei anderen seiner Getreuen unbemerkt unter einen Torbogen zurückgezogen und mit grimmiger Befriedigung das Geschehen verfolgt. Alles lief genau wie geplant, jeder Schritt vollzog sich so, wie er es vorausberechnet hatte. Einer seiner Männer hatte den Brandbefehl ausgerufen, ein anderer die erste Fackel geschleudert, ein dritter die Kunde von den sich zusammenrottenden Richerzechenleuten verbreitet, und alle, wirklich alle Zunftbrüder mitsamt ihren Anhängern hatten exakt das getan, was sie tun sollten.
»Diese Trottel«, sagte er verächtlich.
»Sie sind wirklich wie Schafe«, stimmte Jobst zu. Seine Miene, sonst meist gelangweilt, zeigte einen Anflug von Freude. Er hatte Blut vergossen, das stimmte ihn immer froh, doch noch mehr ergötzte er sich daran, den Mann in der Kirche getötet zu haben. Er hatte es förmlich zelebriert und mehrmals zugestoßen, obwohl ein Stich gereicht hätte. Jobst mochte es, wenn seine Gegner noch eine Weile litten. Er stach so zu, dass sie noch lange ihre Qualen bei vollem Bewusstsein erleben konnten, bevor sie innerlich jämmerlich verbluteten. Wendel empfand leisen Abscheu, er war außerstande, die Regungen dieses Mannes zu begreifen. Die Freude am Töten, am Demütigen. Es mit solcher Bedachtsamkeit zu tun, frei von jedem Zorn und jeder Rachsucht. Einfach nur um des reinen Vergnügens willen. Manchmal graute es Wendel vor Jobst, vor diesem Blick, in dessen Tiefen eine Boshaftigkeit lauerte, die niemals an die Oberfläche hätte kommen dürfen.
Doch gleich darauf kümmerte es ihn nicht mehr. Jobst hatte so gehandelt, wie es abgesprochen war. Einen der Zunftleute erstochen – es war ein einflussreicher Fleischer gewesen – und damit wie geplant in den übrigen unbezähmbare Rachegelüste erweckt. Gleichzeitig waren mehrere seiner Leute in der Stadt unterwegs gewesen, um die Geschlechter auf Trab zu bringen. Das gemeine Volk brennt unsere Häuser nieder! Wir müssen die Leute in die Schranken weisen!
Zweifellos würden die Edelmänner genau das tun, was auch das dumme Volk getan hatte – ihre Gefolgschaft zusammentrommeln und den Zwist mit dem Plebs bis aufs Blut austragen. Er lauschte in Richtung Heumarkt, doch außer dem aufgeregten Geschrei des Pöbels war nichts zu hören. Bald jedoch würden Waffenlärm und Hufgeklapper hinzukommen; die Geschlechter mochten vielleicht nicht so viele Männer aufbieten können wie die Bürger, aber sie waren beritten und wesentlich besser bewaffnet. Viele unter ihnen hatten in blutigen Feldschlachten ihre Kampfkraft gestählt, einer von ihnen reichte, um ein Dutzend Gemeine niederzumachen. Und es würden nicht nur jene kämpfen, die jetzt auf den Heumarkt strömten. Überall in der Stadt würden die Menschen aufeinander losgehen und sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, denn war es erst mit dem Frieden vorbei, wollten sie alle Blut sehen, das lag in der menschlichen Natur. Und am Ende würde es nur einen einzigen Gewinner geben. Ihn selbst.
Wendel Hardefust lächelte mit schmalen Lippen, während er sein brennendes Haus betrachtete. Die Leute aus der Nachbarschaft und von seinem Gesinde hatten mit panischen Löschversuchen begonnen, nicht etwa, weil sie sein Eigentum retten wollten, sondern um ein Übergreifen des Feuers auf die anderen Häuser zu verhindern. Sie bildeten Menschenketten und reichten Kübel um Kübel weiter, schütteten das Wasser unter aufgeregtem Geschrei auf die immer wieder hochschießenden Flammen und verzweifelten fast bei dem Bemühen, den Brand einzudämmen. Ihre Häuser mochten sie wohl retten, doch für seines kam jede Hilfe zu spät. Aber das berührte ihn nicht, er würde sich von dem Lohn, der ihm winkte, zehn andere kaufen können. Dieses hier war ohnehin alt, er trug sich schon lange mit dem Gedanken, ein neues zu beziehen. Drinnen war nur noch gut brennbarer Plunder, er hatte seine wertvolleren Habseligkeiten in den vergangenen Wochen nach und nach weggeschafft, hinaus auf die Burg, wohin er auch Simon und Ursel für den heutigen Tag verbannt hatte.
Das Schauspiel begann ihn zu langweilen.
»Zeit für den nächsten Akt«, sagte er zu seinen Männern. Er setzte sich in Bewegung, drehte sich jedoch nach wenigen Schritten zu Jobst um, der wie angewurzelt stehen geblieben war. »Was ist?«, wollte er ungeduldig wissen.
Jobst starrte eine Frau an, die mit unsicheren Schritten durch die Rheingasse ging, an
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