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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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brüllte er. »Nieder mit dem Hardefust!«
    »Nieder mit dem Hardefust!«, schallte es von allen Seiten zurück. Und schon drängte die ganze Meute vorwärts in Richtung Rheingasse. Hinter Blithildis sammelten sich weitere Männer, die dem rachsüchtigen Haufen nachstürmten. Sie geriet in das Gewühl und wurde mitgezogen, sie konnte sich nur mühsam aufrecht halten in diesem Gerangel stampfender Beine, stoßender Arme und hassverzerrter Gesichter. Immer wieder rammten sich ihr Ellbogen in den Leib, sie wurde geschubst, angerempelt, zur Seite gedrängt. In dem Getümmel wurde ihr die Haube vom Kopf gezogen, ihr Haar fiel herab. Benommen taumelte sie mit den Übrigen vorwärts.
    In der Rheingasse kam der Mob zum Stillstand. Unter Wutgebrüll sammelte sich die Menge, die inzwischen auf mehrere hundert Zunftleute und andere Gemeindemitglieder angewachsen war, vor dem Haus des Wendel Hardefust. Blithildis erinnerte sich an das Haus, so wie an ihre gesamte Vergangenheit. Alles lag auf einmal offen vor ihr, die innere Mauer, die sie vor ihrem früheren Leben abgeschirmt hatte, war bis auf den letzten Stein niedergerissen. Sie wusste, was Jobst ihr angetan hatte. Auch an Wendel Hardefust konnte sie sich erinnern. Beide Männer waren älter geworden, doch die Zeit hatte ihre Gesichter nicht der Vergessenheit anheimfallen lassen können. Jobst war heute der Gefolgsmann des Hardefust, also war er es auch damals schon gewesen, denn nur so ergab alles einen Sinn. Vor allem jener Tag, als er mit den übrigen Mordgesellen auf sein Geheiß ihre Mutter verschleppt und getötet hatte. Sie selbst hatte er ebenfalls getötet, nur dass sie als anderer Mensch weitergelebt hatte, ohne Erinnerungen an das Davor, mit nichts außer den Narben, der Scham und der Angst, die sie aus dem Dunkel mit herübergenommen hatte.
    Der Hardefust hatte Mutter gehasst, mit einem Mal erinnerte Blithildis sich auch an jenen staubigen, von Schmerzensschreien erfüllten Tag aus einer noch viel weiter zurückliegenden Zeit. Sie war sieben gewesen, vielleicht auch erst sechs. Vater war im Krieg gewesen, und draußen auf der Gasse war Hardefust über ihre Mutter hergefallen und hatte sie gepeitscht. Nur ein paar Häuser weiter, dort drüben – vor ihrem früheren Elternhaus, wo sie einst gelebt hatten, bis sie nach Kerpen auf die Burg gezogen waren. Johann hatte versucht, Mutter zu beschützen, doch er war dem großen, schweren Mann nicht gewachsen gewesen, denn er war ja selbst noch ein Knabe gewesen.
    O Gott, Johann. Ein gepeinigter Aufschrei entrang sich Blithildis. Er lebte noch! Er hatte sie wiedergefunden! Sie sah ihn vor sich stehen, sein verzweifeltes, von Narben übersätes Gesicht. Der zerschundene Körper, den sie gewaschen und gesalbt und verbunden hatte. Ihr Bruder.
    Tränen strömten ihr übers Gesicht, und sie hörte sich mit gequältem Schluchzen seinen Namen ausrufen.
    Ihr Aufschrei fiel mit dem eines Mannes zusammen, der aus der Menge heraus mit überkippender Stimme brüllte: »Lasst es in Flammen aufgehen! Legt Feuer!« Die Männer drängten vorwärts, einer warf eine brennende Fackel auf das Haus des Hardefust. Sie landete auf dem Dach und rollte herab, ohne Schaden anzurichten. Er versuchte es erneut und schleuderte die Fackel durch einen der offen stehenden Läden, und wenige Augenblicke später loderte es im Haus auf. Die Menge brach in begeistertes Geheul aus, weitere Fackeln kamen geflogen, überall züngelten Flammen hoch, und gleich darauf breiteten sich beißende Rauchschwaden aus, die all jene zum Rückzug zwangen, die sich zu nah herangewagt hatten. Johlend sammelten sie sich in sicherer Entfernung und verfolgten mit wilder Freude, wie das Haus in Flammen aufging.
    Blithildis wurde gegen eine Mauer gedrückt. Rauch wehte heran, sie musste husten. Die Männer um sie herum drängten in eine andere Richtung, von Blutgier und wilder Angriffslust aufgestachelt. Das Feuer befriedigte ihren Zerstörungsdrang nicht, sie waren getrieben von besinnungslosem Hass auf die Reichen und Mächtigen der Stadt, die ihnen, den einfacheren Leuten, ein Leben in Demut und Unterwerfung zugedacht hatten, während sie selbst alle Macht und allen Wohlstand für sich allein wollten. Von irgendwoher schrie jemand, dass sich die Vasallen der Richerzeche am Heumarkt sammelten, und daraufhin gab es kein Halten mehr.
    »Tod den Geschlechtern!«, tönte es vielstimmig aus der Menge. Blithildis stolperte, als die Männer an ihr vorbeistürmten und sich den

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