Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
anderen Menschen als Sünde zu betrachten, war ihm schlechterdings unmöglich, er hatte schon lange aufgehört, sich deshalb mit Gewissenszweifeln zu plagen. Es gab nichts, was Gott ihm hätte vergeben können.
»Da kommt jemand«, flüsterte Diether. Hastig zog er Simon in eine finstere Ecke neben dem Stall, wo sie sich mucksmäuschenstill verhielten. Hinterm Haus war es dunkel, nur ein schwacher Widerschein der Fackeln, die auf der Gasse brannten, drang bis auf den Hof.
Schritte kamen näher, zwei Männer sprachen leise miteinander. »Hier hört uns niemand«, sagte Wendel Hardefust. Er und der andere Mann blieben stehen. »Ihr solltet es so rasch wie möglich erledigen und ihn danach verschwinden lassen. Wenn es keine Leiche gibt, kann mir auch keiner einen Mord vorwerfen. Deshalb darf es keine Zeugen geben. Und den Seinen darf nichts geschehen, sonst weiß jeder, was passiert ist. Später könnt Ihr auftauchen und als Zeuge aussagen, dass er noch lebt. Ihr könntet ihn beispielsweise in den Wäldern gesehen haben, wo er wieder die Handelszüge ehrbarer Kaufleute überfällt. Bringt einen Eurer Kumpane mit, der dasselbe bekundet, doppelt hält besser. Ich werde einen Kölner Händler schmieren, der behaupten wird, dass seine Wagenkolonne von dem Bergerhausen angegriffen wurde.«
Der andere Mann lachte unterdrückt. »Was für ein schurkischer Plan!«
»Es gibt noch einen weiteren Auftrag.«
»Auch jemand, der nicht gefunden werden soll?«
»Nein, es geht um meinen Gefolgsmann Jobst, ihn könnt Ihr umbringen, wo immer Ihr wollt, Ihr solltet Euch nur nicht dabei erwischen lassen. Tut es einfach bei nächstbester Gelegenheit, aber seht Euch vor, er ist schlau und ein wendiger Messerkämpfer.«
»Das ist Johann von Bergerhausen auch. Was habt Ihr eigentlich gegen den Mann?«
»Das geht Euch nichts an.« Leises Klimpern war zu hören. »Hier die erste Hälfte, wie ausgemacht. Den Rest, wenn es getan ist.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein.«
»Verschwindet jetzt. Ich warte, bis Ihr fort seid, ich will nicht mit Euch gesehen werden.« Schritte entfernten sich. Simon machte eine unbedachte Bewegung, unter seinem Stiefelabsatz knirschten Steinchen.
Sein Vater ließ einen halblauten Fluch hören. »Wer ist da, verdammt?«
Simon hörte ihn näher kommen, und gleich darauf waren auch die schattenhaften Umrisse seiner Gestalt auszumachen. Simon drängte Diether gegen die Mauer. »Bleib hier«, hauchte er ihm ins Ohr, und im nächsten Moment war er aus dem Versteck gesprungen und ging auf seinen Vater zu.
»Vater, bist du das?«
»Simon?«
»Ja, natürlich.« Er beeilte sich in seinem Bemühen, die Entfernung zwischen sich und Diethers Versteck zu vergrößern. »Ich bin hier draußen, um Luft zu schnappen.«
Er beging den Fehler, zu dicht vor seinen Vater hinzutreten. Der packte ihn beim Surcot und riss ihn zu sich heran. »Was hast du gehört?«, zischte er ihm ins Gesicht.
»Nichts«, behauptete Simon, doch er merkte sofort, dass der Vater ihm nicht glaubte. Augenblicklich schmückte er seine Antwort entsprechend aus. »Ich habe vor mich hingedöst und wurde von einem Lachen wach, und dann hörte ich, dass du mit irgendwem über Handelszüge gesprochen hast. Du weißt, dass mich das nicht interessiert, also habe ich gar nicht richtig hingehört.«
»Wo ist dieser verfluchte Diether?«
»Er ist Wein holen gegangen, denn dieser Verschnitt, den die Tante uns kredenzt hat, schmeckt uns nicht.« Sein Tonfall ließ nicht den geringsten Zweifel offen, dass er die Wahrheit sagte. Diethers Leben hing davon ab. Es klang gelangweilt und ein wenig niedergedrückt, ganz so, als hätte er von allem die Nase voll, nicht nur vom schlechten Wein. Genauso hätte er gesprochen, wenn sich alles so verhalten hätte, wie er gerade behauptet hatte. Wenn er nicht mit angehört hätte, wie sein Vater einen Meuchelmörder damit beauftragte, zwei Menschenleben auszulöschen.
»Morgen nach der Messe verschwindest du nach Kerpen«, sagte sein Vater. Es klang kalt und überdrüssig, aber in seinem Ton schwang auch jene Siegessicherheit mit, die ihn schon den ganzen Tag über beflügelt hatte.
»Soll Ursel wieder mitkommen?«
Sein Vater dachte kurz nach. »Wenn sie will. Vielleicht bringt die Landluft sie auf andere Gedanken.«
»Gut«, sagte Simon. Sein Herz schlug lauter als jeder Donner, als sein Vater sich endlich in Bewegung setzte und am Haus vorbei zurück zur Gasse ging. Er zwang sich, nicht in hörbarer Erleichterung den
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