Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
weißt du.«
»Wozu? Geselle zu werden?«
»Nein. Dich zu heiraten.« Er räusperte sich abermals. »Irmla hat mir erzählt, in welchen Nöten du bist. Und da … da wollte ich dir sagen, dass ich dir gern zur Seite stehen möchte.«
»Caspar!« Sie war so gerührt von seiner ritterlichen Geste, dass ihr beinahe die Tränen kamen. »Das ist wirklich lieb von dir. Aber du weißt, dass das nicht geht.«
Die jungenhafte Freundlichkeit in seinem Gesicht wich einem verletzten Ausdruck. »Weil ich als Knecht von niederem Stand bin?«
»Nein. Weil du wie ein kleiner Bruder für mich bist.«
Er lachte ungläubig. »Ich bin älter als du!«
»Das weiß man nicht«, widersprach sie, obwohl anzunehmen war, dass er recht hatte. Doch da er ein Findelkind war und man ihn seit seiner Geburt von einem Ort zum anderen geschoben hatte, wusste niemand, in welchem Jahr er geboren war. Von seinem Äußeren her kam alles zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren in Betracht, wobei Letzteres allerdings wahrscheinlicher war, denn als er damals bei Madlens Vater als Knecht angefangen hatte, war er schon ausgewachsen gewesen.
Dennoch erschien Madlen die Vorstellung, ihn zum Mann zu nehmen, so absurd, dass sie niemals von allein auf diesen Gedanken verfallen wäre. Schließlich gehörte er mehr oder weniger zur Familie, es wäre ihr wie eine Art Inzest vorgekommen.
Einen Augenblick darauf läuteten die Glocken zur Vesper. Niedergeschlagen nahm sie ihre gewachste Schürze vom Haken, legte sie an und ging hinüber in die Schankstube, um die Pforte für die Gäste zu öffnen.
»Was sollte das vorhin?«, fragte Willi, nachdem Madlen das Sudhaus verlassen hatte.
Caspar gab keine Antwort, doch Willi ließ die Drehstange der Malzmühle fahren und trat vor ihn hin. Sein Gesicht war von der Anstrengung des Schrotens verschwitzt, nasse Streifen zogen sich durch den Gerstenstaub auf seiner Stirn und seinen Wangen. »Wieso hast du zu Madlen gesagt, dass du sie heiraten willst?«
»Weil es eine gute Lösung wäre, du Trottel«, sagte Caspar gereizt. Die meiste Zeit war Willi ihm völlig gleichgültig, obwohl der Junge einen mit seiner renitenten Art, seinem Neid und seinem ewigen Schmollen manchmal zur Weißglut treiben konnte.
»Wieso wäre es eine gute Lösung?«, fragte Berni von der Tenne her. Er stützte sich auf die Forke und hörte begierig zu. Neugier war seine zweite Natur, und wenn er nicht gerade zu irgendwelchem Unfug aufgelegt war, spitzte er die Ohren, um ja nichts zu verpassen.
»Sie muss einen Brauer heiraten, sonst wird unsere Brauerei geschlossen. Ohne Ehemann darf sie das Gewerbe nicht länger ausüben.«
Willi zog die Brauen zusammen. »Und da bildest du dir ein, du wärest der Richtige dafür?«
»Ich bin so gut wie jeder andere. Aufs Brauen verstehe ich mich.«
»Du weißt ja nicht mal, wer dein Vater war. Du bist ein Niemand.«
Caspar verpasste Willi eine Ohrfeige. »Zurück an die Mühle, du Faulpelz! Oder soll ich Madlen sagen, dass du untätig herumlungerst, sobald sie dir den Rücken kehrt?«
Willi ballte die Fäuste. Noch war Caspar größer und kräftiger als er, aber mit seinen vierzehn Jahren holte er rasch auf. Bald wäre er Geselle, und zwar ein richtiger , so, wie die Regeln der Bruderschaft es vorsahen. Dann würde er diesen überheblichen Wichtigtuer Mores lehren!
»Der Sud kocht über«, rief Berni.
Eilig begab Caspar sich zurück an den schäumenden Kessel. Willi blickte ihm in grüblerischem Zorn nach.
Juliana ging schweigend neben Hildegund her, die Arme unter dem weiten grauen Umhang um den Oberkörper geschlungen und den Kopf gesenkt. Unbehagen und Unruhe erfüllten sie, so wie immer, wenn sie mit Fragen nach ihrer Vergangenheit konfrontiert wurde. Madlen hatte es sicher nur gut mit ihr gemeint, das tat sie immer, kein Mensch hatte so ein offenes und von Liebe überströmendes Herz wie sie, aber jede Berührung mit der Dunkelheit vor Julianas Erwachen war wie das Betasten einer nur oberflächlich verheilten Wunde, in der es immer noch schwärte. Drückte man zu fest zu, brach der Eiter hervor.
Sie bekam Albträume, in denen schattenhafte Gestalten sie heimsuchten. Eine davon beugte sich am Ende des Traums immer über sie, um mit sanfter Stimme zu flüstern: »Siehst du, es ist doch gar nicht so schlimm, denn jetzt schicke ich dich heim zum Herrn.« Dann folgte der reißende, entsetzliche Schmerz, von dem sie jedes Mal aufwachte.
In anderen Träumen musste sie die Frucht des Bösen
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