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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Augen fielen ihr zu. Das Gefühl, einer schlimmen Gefahr knapp entronnen zu sein, war zu beruhigend, um es zu hinterfragen, obwohl ihr in einem winzigen Winkel ihres Verstandes klar war, wie seltsam diese Empfindung war, denn niemand hatte ihr etwas Böses getan, keiner hatte sie bedroht. Eine Stimme in ihrem Inneren wollte sie etwas fragen, doch Juliana wusste, dass sie diese Frage nicht ertragen konnte, also brachte sie die Stimme mit einem weiteren Gebet zum Schweigen. Diesmal war es ganz leicht, weil der Schlaf so nah war und sie so müde. Bereitwillig ergab sie sich der immer stärker werdenden Mattigkeit und ließ sich hinabziehen in das Dunkel des Vergessens.
    Johann blieb nicht im Haus. Er sei, so sagte er, mit seinen Berechnungen noch nicht fertig und wolle daher wieder zurück in die Braustube. Madlens Frage, was genau er denn dort noch zu berechnen habe, beantwortete er mit einem stummen Achselzucken. Sie erkannte, dass er einfach nur allein sein wollte und ließ ihn in Frieden. Etwas später ging sie auf den Hof, um den Hund zu füttern. Die Tür zum Sudhaus stand offen, wie immer an schönen Tagen, doch von Johann war nichts zu sehen. Sie ging hinein und sah sich um, sie stieg sogar zur Tenne und zum Dachboden hoch, doch er war nicht da. Sie schaute auf dem Abtritt nach, dann ging sie in den Garten und rief nach ihm, aber es kam keine Antwort. Im Schuppen war er ebenfalls nicht, dafür erblickte sie dort Veit, der auf seinem Strohsack lag, die Hände über der Brust verschränkt und die Augen geschlossen. Madlen wollte sich leise wieder zurückziehen, doch Veit richtete sich bereits auf.
    »Bist du das, Madlen?«
    »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht stören.«
    »Du störst mich niemals. Was ist geschehen? Ich hörte, wie du nach Johann riefst. Ist er nicht da? Du klingst besorgt.«
    Das war sie tatsächlich. Sie fürchtete, dass Johann ihre Bitte in den Wind geschlagen hatte und Juliana zum Konvent gefolgt war. Es war ihre Schuld! Sie hätte es verhindern müssen! Kurz zog sie in Erwägung, in die Glockengasse zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen, doch dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Wenn Johann Juliana wiedersehen wollte, war es nicht zu verhindern. Er würde Mittel und Wege finden, sei es nun heute oder an einem beliebigen anderen Tag.
    Geistesabwesend setzte Madlen sich neben Veit nieder. Der Schuppen war sauber, der Boden zwischen dem Strohlager und dem Pferdegatter gekehrt. Hier hatte Irmla ganze Arbeit geleistet. Es roch angenehm nach trockenem Heu, staubigem Sackleinen, altem Leder, frischem Hafer und Pferd. Madlen mochte den Geruch, sie hatte sich schon als Kind immer gern hier aufgehalten und dem Pferd Geschichten erzählt.
    So wie Veit seine Geschichten aus dem Morgenland zum Besten gab, hatte sie als kleines Mädchen hier gesessen und Fabeln ersonnen, und weil sonst niemand da war, dem sie ihre phantastischen Erzählungen hatte präsentieren können, war das Pferd ihr Zuhörer gewesen.
    »Woran denkst du?«, fragte Veit.
    Sie wandte sich zu ihm um. Sein offenes Gesicht mit den leuchtend blauen Augen war ihr zugewandt. Es war ein ebenmäßiges männliches Antlitz, das sie entfernt an Konrad erinnerte. Die Ähnlichkeit lag jedoch weniger im Äußerlichen begründet als vielmehr im Gesichtsausdruck, und der wiederum bestimmte sich nach dem Gemüt. Veits Art zu lächeln, seine lebensbejahende Fröhlichkeit, gewisse unbekümmerte Gesten beim Sprechen – in seinem ganzen Wesen gab es einiges, worin er Konrad glich.
    Madlen zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. »Ich dachte gerade daran, dass ich als Kind gern hier hockte und mich mit dem Pferd unterhalten habe.«
    Veit grinste. »Was hast du zu ihm gesagt?«
    »Alles Mögliche. Ich habe mir Geschichten ausgedacht und sie ihm erzählt.« Sie kicherte unterdrückt. »Ähnliche Geschichten, wie du sie erzählst. Nur noch viel phantastischer. Von geflügelten Drachen, edlen Rittern, wunderschönen Königstöchtern und goldenen Feen, die alle Wünsche erfüllen. Das Pferd hat mir sehr geduldig gelauscht, es war ganz Ohr. Nur ab und zu steckte es den Kopf in den Hafersack oder äpfelte ausgiebig.«
    Veit lachte. »Das klingt, als hättest du sehr anregend erzählt.«
    Madlen fiel in sein Lachen ein. Sie lauschte dem Klang ihres und seines Gelächters nach. Mit einem Mal schien einiges von der Schwere, die eben noch auf ihr gelastet hatte, verschwunden zu sein. Veit stellte das mit einem an, es war eine Gottesgabe. Er nahm den

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