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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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ihr zu entziehen, und Madlen kam es mit einem Mal so vor, als würden ihre Fingerspitzen von der Berührung seiner Haut prickeln. Sie ließ ihn los, als hätte sie sich verbrannt.
    »Ich habe mich wohl getäuscht«, sagte sie hastig. Sich räuspernd, trat sie zur Seite und machte sich an einem Sack mit Wacholderbeeren zu schaffen. »Übrigens habe ich mir auch eine Wachstafel und Griffel besorgt. Für den Unterricht.«
    »Das ist gut.« Seine Stimme klang ungewohnt rau.
    »Ich dachte, wir fangen heute nach der Arbeit damit an.«
    »Das können wir gern machen.«
    So, wie er das sagte, klang es nicht gerade nach uneingeschränkter Begeisterung, und mit einem raschen Seitenblick suchte Madlen in seinem Gesicht nach Anzeichen von Widerwillen. Doch seine Miene war von größtmöglicher Ausdruckslosigkeit. Gleich darauf gingen beide wieder zurück an die Arbeit, und für die nächsten Stunden war alles außer dem Bierbrauen nebensächlich.
    Madlen achtete an diesem Tag darauf, dass das Vespermahl pünktlich auf dem Tisch stand. Sie befahl Irmla, sich mit den Vorbereitungen zu beeilen, und anders als sonst duldete sie nicht, dass das Gesinde nach dem Essen allzu lange am großen Tisch in der Stube beisammensaß. Caspar und die Lehrjungen schauten befremdet drein, räumten dann aber bereitwillig das Feld, nachdem Madlen jedem von ihnen ein zusätzliches Stück Käse zugesteckt hatte, worüber sich indessen Irmla, die für die Verwaltung und Einteilung der Vorräte verantwortlich zeichnete, in beleidigtem Tonfall ausließ.
    »Wie soll ich mit dem Käse drei Tage auskommen, wenn du ihn gleich am ersten Tag an diese nichtsnutzigen Vielfraße verfütterst?«
    Sie hätte noch mehr dazu gesagt, doch Madlen schnitt ihr kurzerhand das Wort ab und befahl ihr, für die nächste Stunde in den Schuppen zu gehen und sich solange neben Veit ins Stroh zu setzen oder dort den Boden zu fegen oder sonst was zu machen. Am liebsten hätte sie auch ihren Großvater hinausgeschickt, doch zu ihrer Erleichterung besaß Cuntz genug Umsicht, sich von allein in seine Kammer zurückzuziehen.
    Mit klopfendem Herzen holte Madlen die Wachstafel und den Griffel aus ihrer Kammer. Beides hatte sie bei einem Krämer am Alter Markt gekauft, zusammen mit einem kleinen Ballen Seidenstoff für ein neues Gebende, ein unverzeihlicher Luxus. Sie hatte die Ausgabe für den Stoff schon bereut, bevor sie noch alle Münzen auf den Klappladen des Gaddems gezählt hatte. Zu Hause in ihrer Kammer hatte sie die weiße Seide ausgerollt und befühlt, sie war wunderbar weich und roch blumig frisch nach Lavendel. Bestimmt würde ein Gebende aus diesem Stoff sie gut kleiden.
    Madlen besaß keine rechte Vorstellung davon, wie sie aussah. Von jeher hatten alle gesagt, sie sei hübsch, vor allem Konrad, der niemals müde geworden war, ihr zu beteuern, wie schön er sie fand. Madlen hatte bislang nur selten den Wunsch verspürt, sich selbst ins Gesicht zu sehen, so wie es vornehme Damen taten, die polierte Spiegel aus Silber oder Kupfer besaßen. Doch neuerdings hätte sie zu gern gewusst, wie sie in den Augen anderer wirkte. Sie verfluchte sich stumm, während sie mit ihrem neu erworbenen Schreibgerät die Stiege hinabkletterte und sich an den Tisch setzte, wo Johann schon auf sie wartete.
    »So geht es leider nicht«, sagte er.
    Verständnislos blickte sie auf. »Was meinst du?«
    »Du musst neben mir sitzen. Sonst kann ich dir nicht zeigen, wie es geht.«
    »Ach so.« Errötend erhob sie sich von der Bank und ging um den Tisch herum. Widerstrebend nahm sie auf dem Schemel neben ihm Platz. Er war ihr so nah, dass sie den Geruch seines Körpers einatmete, nach Rauch, Malz, Kräutern, einem Hauch Harz und nach etwas Urtümlichem, Verwirrendem, das sie dazu brachte, nervös auf dem Schemel herumzurutschen.
    »Hier ist die Tafel«, sagte sie überflüssigerweise.
    »Was willst du zuerst lernen, die Zahlen oder die Buchstaben?«
    »Was geht denn schneller?«
    »Die Zahlen. Noch schneller ginge es, wenn du ein Rechentuch hast, dann kann ich dir mit den Steinen demonstrieren, wofür die einzelnen Ziffern stehen.«
    Sie sprang auf und rannte nach oben, um ihr Rechentuch zu holen, ein ansehnliches Stück aus grünem Samt, eingefasst mit einer bestickten Borte. Sie faltete es auseinander und legte es vor sich auf den Tisch. Die Calculi befanden sich in einem kleinen, intarsienverzierten Kästchen, eine Arbeit von Cuntz, die er vor vielen Jahren für seine Tochter angefertigt hatte –

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