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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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aufzuessen!«
    »Ich hab’s nur danebengelegt, es muss irgendwie hineingefallen sein«, beteuerte Willi. Sein pickeliges rundes Gesicht zeigte einen beflissenen Ausdruck, doch in seinem Blick offenbarte sich seine Widerborstigkeit.
    Madlen gab es auf. Schnaubend wandte sie sich von ihrem Gesinde ab – und sah Johann im Türrahmen stehen. Sein Anblick trug nicht dazu bei, sie zu besänftigen, im Gegenteil. In ihre Augen trat ein unheilschwangeres Leuchten. Seufzend bereitete er sich darauf vor, ebenfalls vom Blitzstrahl ihres Zorns getroffen zu werden.
    Madlen brachte einiges an Willenskraft auf, um Johann nicht augenblicklich ebenso zusammenzustauchen wie die Übrigen. Sie besann sich gerade noch darauf, dass er ihr Mann war, jedenfalls nach dem Gesetz, und dass es keinen guten Eindruck gemacht hätte, wenn sie ihn vor dem Gesinde anschrie, nur weil er für seine Besorgungen auf dem Markt länger gebraucht hatte als erwartet. Außerdem war ihr nach einem einzigen Blick auf sein Gesicht klar, dass er sich nicht einfach nur verbummelt hatte, sondern dass sein Ausbleiben ebenso wie die anderen Male mit seinem früheren Leben zusammenhing. Dieses Mal umgab ihn jedoch nichts von der zufriedenen Aufgeräumtheit, mit der er, verschlammt und nach Moos und Walderde riechend, neulich sonntagabends heimgekommen war. Heute wirkte er niedergeschlagen, beinahe verstört, obwohl er sich erkennbar Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. Fast schien es sogar, als wartete er nur darauf, dass sie ihn wie die anderen ausschimpfte, zweifellos in der Annahme, dass das ihren Blick auf andere Dinge lenkte als die, die er vor ihr verbergen wollte. Doch diesen Gefallen tat sie ihm nicht. Sie folgte ihm, als er die Vorräte und das Pechfass in den Lagerschuppen trug, und als sie sicher sein konnte, dass niemand sie belauschte, stellte sie ihn zur Rede.
    »Du warst in der Glockengasse, oder?«
    Er versuchte gar nicht erst, es abzustreiten, was sie erst recht erboste. »Ich hatte dir gesagt, dass es nicht richtig ist!« Bissig fügte sie hinzu: »Deiner Leichenbittermiene nach hättest du besser auf meinen Rat gehört.«
    Er zuckte nur stumm die Schultern, bevor er sich bückte und das Fass hochstemmte, um es in das roh gezimmerte Regal an der Stirnseite des Vorratsschuppens zu stellen. Sein Gesicht war blass, die frischen Wundmale zeichneten sich rot davor ab, sie bildeten gemeinsam mit den darunter verlaufenden, bereits verblassten Narben ein Muster der Verwüstung. Madlen erhaschte einen kurzen Blick in seine Augen, und ihre Wut erlosch wie eine Kerze im Wind. Sein Leid war fast mit Händen zu greifen, und im selben Augenblick fühlte sie eine solche Verbundenheit mit ihm, dass es ihr fast die Tränen in die Augen trieb. Wenn jemand wusste, wie es war, einen geliebten Menschen zu verlieren, dann war sie es. Wie konnte sie ihn schelten und wütend auf ihn sein, während er hier stand, geschlagen vom Schicksal, und nicht ein noch aus wusste in seiner Hoffnungslosigkeit? Er hatte seine Schwester wiedergefunden, nur um festzustellen, dass er sie für immer verloren hatte. Ebenso gut hätte sie tot sein können, das machte kaum einen Unterschied. Nein, vielleicht war es sogar so, wie es jetzt war, noch schlimmer. Einem geliebten Menschen gegenüberzustehen und diesem völlig fremd zu sein – wie furchtbar das sein musste!
    »Johann«, sagte sie leise. Bevor sie noch recht erkannte, was sie da tat, machte sie einen Schritt auf ihn zu und ergriff seine Hand. Groß und schwer lag sie in ihren viel kleineren Händen, sie war warm und schwielig und kantig, die Haut braun wie Holz und der Handrücken mit kleinen dunklen Haaren bewachsen, doch die langen Finger waren schlank und überraschend schön geformt, bis auf den rechten Daumen, der aussah, als sei er mehrfach gebrochen und krumm wieder zusammengewachsen. Stumm blickte Madlen auf Johanns Hand nieder, sie suchte nach den Worten, die ihr eben noch auf der Zunge gelegen hatten und die plötzlich verschwunden waren wie Staub im Regen.
    Sie setzte mehrmals an zu sprechen, doch schließlich kam nur ein einziger Satz heraus, der nicht einmal annähernd das zum Ausdruck brachte, was sie ihm eigentlich hatte sagen wollen. Genau genommen handelte er von etwas völlig anderem.
    »Ich dachte, ich hätte da gerade einen Splitter gesehen.« Unbeholfen drehte sie seine Hand um und gab vor, sie zu untersuchen.
    Johann blickte forschend zuerst auf Madlen, dann auf seine Hand. Er machte keine Anstalten, sie

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