Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
ihrem Gesicht war Anteilnahme, aber auch große Eindringlichkeit zu erkennen. »Ich sehe Euch an, dass Ihr Rache üben wollt. Das ist eine verständliche Regung. Dennoch möchte ich Euch inständig bitten, Juliana nicht damit zu belasten. Ich kenne sie seit vielen Jahren, sie ist mir so teuer wie ein eigenes Kind. Als Meisterin dieses Konvents habe ich die Verantwortung für die Frauen, die sich mir anvertraut haben. Oder die mir von Gott anvertraut worden sind, so wie Juliana. Ich kann nicht zulassen, dass sie abermals Leid erfährt, auf welche Weise auch immer. Tut, was Ihr wollt und was Ihr müsst, aber tut es ohne sie.« Sie brachte es mit einem einzigen Satz auf den Punkt. »Lasst sie in Ruhe.«
    »Ihr meint, ich soll nicht mehr herkommen?« Die Frage war eher rhetorischer Natur, Johann hatte sehr gut verstanden, worauf die Begine hinauswollte.
    »Genau das meinte ich. Ich bin davon überzeugt, dass es besser für Juliana ist, wenn sie sich nicht erinnert.«
    Johann nickte höflich. »Ich will ebenfalls nur das Beste für Blithildis. Und wenn es das Beste für sie ist, dass ich sie meide, dann soll es so sein. Dennoch möchte ich Euch danken. Dafür, dass Ihr Euch die Mühe genommen habt, mit mir zu sprechen. Besonders aber dafür, dass Ihr Euch um sie gekümmert habt.« Er betrachtete sie fragend. »Darf ich Euren Namen erfahren?«
    »Sybilla.«
    »Danke, Frau Sybilla.«
    Sie nickte und sah ihm nach, als er, den Griff des Handkarrens mit der schwieligen Faust umspannend und das Gefährt ohne erkennbare Mühe hinter sich herziehend, mit festen Schritten die Glockengasse hinunterging und um die nächste Ecke verschwand. Dann kehrte sie, ohne zu zögern, ins Haus zurück. Vom Refektorium aus betrat sie den dahinterliegenden Gang, der zu den einzelnen Kammern führte. Julianas Zimmer lag ganz am Ende, sie hatte ein Fenster zum Garten hinaus. Im Frühjahr und im Sommer, wenn an schönen Tagen die Läden den ganzen Tag offen standen, konnte sie in die blühende, duftende Farbenvielfalt der Natur hinaussehen. In der ersten Zeit hatte Juliana oft stundenlang aus dem Fenster gestarrt, augenscheinlich gebannt von dem satten Grün der Blätter und dem verschlungenen Geäst der Weinreben. Meist aber hatte sie im Bett gelegen, der Körper bewegungslos, der Geist dem tiefen, gnädigen Schlaf überantwortet. Nur so konnte sie Frieden finden, auch wenn er nur befristet war.
    Vor der Kammer traf Sybilla auf Hildegund.
    »Wie geht es ihr?«, wollte die Meisterin wissen.
    »Sie hat schrecklich geweint, aber wir konnten sie beruhigen.« Hildegund bemühte sich vergeblich, ihre brennende Neugierde zu verbergen. »Stimmt es, dass dieser große, hässliche Fremde ihr Bruder ist?«
    »Wieso findest du, dass er hässlich ist?«, gab Sybilla zurück. Sie ließ Hildegund stehen und betrat auf Zehenspitzen die Kammer. Juliana lag seitlich ausgestreckt im Bett, den Kopf hatte sie auf beide Hände gelegt wie ein schlafendes Kind. Ihr Gesicht war bleich, die Lider lagen wie bläuliche Schatten über den Augen. Ihre entspannten Züge und die regelmäßigen Atemzüge verrieten, dass ihre Flucht vor den Dämonen der Vergangenheit wieder für eine Weile geglückt war.
    Madlen stand neben dem Maischbottich. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, als wollte sie ihrer zierlichen Gestalt auf diese Weise mehr Umfang verleihen. Keine besondere Unterstützung brauchte dagegen ihre Stimme, die in jeden Winkel der Braustube drang und alle anderen Geräusche ihrer Bedeutung enthob. Sie war laut und klar – und vor allem ungeheuer wütend. Johann blieb vorsorglich in der Tür stehen, froh darüber, dass sie ihm den Rücken zukehrte. Er war davon überzeugt, dass sie ihn, sobald ihr finsterer Blick ihn traf, auf der Stelle zu sich befehlen würde, damit er sich mit Caspar, Willi und Berni in eine Reihe stellte und ihr Donnerwetter über sich ergehen ließ.
    »Soll ich euch sagen, was ich mit demjenigen mache, der noch einmal behauptet, dass die Bierzauberschen schuld sind, wenn ein Sud sauer wird?« Sie packte das Maischholz und zog es aus dem Bottich, um es dem Knecht und den Lehrjungen entgegenzurecken. Ein Regen aus breiiger Maische sprühte über die Gemaßregelten und ließ sie zurückweichen.
    »Hiergeblieben!«, schrie Madlen. Ihr ganzer Körper bebte vor Entrüstung, und ihr aufgelöster Zustand schien sich in ihrem Äußeren auszudrücken: Ihr Gebende hatte sich gelockert, ein paar Locken waren herausgeschlüpft. Sie wippten bei jeder

Weitere Kostenlose Bücher