Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Hund hatte sich mit leisem Winseln in seine Hütte verkrochen. Der alte Cuntz war gleich zu Beginn der Arbeiten verschwunden. Er hatte erklärt, die Spätmesse besuchen zu wollen, wobei er Madlens Einwand, es finde doch gar keine mehr statt um diese Zeit, nicht gelten lassen wollte.
    Johann trat neben Madlen, die wie eine fackelbewehrte Statue neben dem Brunnen stand, während die Kloakenreiniger in schweigender Prozession an ihr vorbeidefilierten.
    »Wieso hast du nicht versucht, dir dein Geld von ihm zurückzuholen?«
    »Von Hermann?«, fragte sie, offenbar bemüht, für die Antwort Zeit zu schinden.
    »Von Hermann«, bestätigte Johann. »Es waren immerhin zehn Goldstücke, das ist ein kleines Vermögen, sogar für eine so fleißige und gut verdienende Frau wie dich. Das, was du heute bei Hermann herausgehandelt hast, ist nur ein Bruchteil davon.«
    Hinter dem Tuch, das sie sich vorgebunden hatte, war ihr Gesicht nicht zu sehen, nur die großen Augen schauten heraus, doch der Seufzer, der ihr entwich, war nicht zu überhören. »Ich hätte das Geld gern zurück, das will ich gar nicht bestreiten. Hast du die Stiefel von dem Kerl gesehen? Wenn ich könnte, würde ich sie mit einem Zauber belegen, damit er sich für den Rest seines Lebens damit selbst in den Hintern tritt. Natürlich könnte ich mich an den Rat wenden. Aber wenn ich das täte, würde es nur unerwünschte Aufmerksamkeit wecken. Man würde die ganze Angelegenheit untersuchen, bei allen möglichen Leuten gründlich herumschnüffeln und vielleicht am Ende herausfinden, dass diese Ehe auf … ähm, unredliche Weise zustande gekommen ist. Dann würde ich womöglich schlechter dastehen als vorher. Die zehn Gulden würden mir in diesem Fall auch nicht viel nützen.« Sie hob den Kopf auf jene entschlossene Weise, mit der sie ausdrückte, dass sie sich nicht kleinkriegen ließ. »Ich betrachte das Geld einfach als Investition, nämlich für die Erhaltung meines Geschäfts.«
    Johann nickte ein wenig verdrießlich, ihre Antwort entsprach in etwa dem, was er vermutet hatte. Er hatte die Frage ohnehin nur gestellt, weil er einen Vorwand brauchte, um sich zu ihr zu gesellen. Alles zog ihn zu ihr hin, er hatte aufgehört, dagegen anzukämpfen.
    Möglichst unauffällig betrachtete er sie von der Seite und fragte sich, wie er die nächste Unterrichtsstunde durchstehen und dabei die Hände bei sich behalten sollte.
    Hermann hatte Wort gehalten, bis zum Morgengrauen waren die Kloakenreiniger mit der Arbeit fertig. Sie zogen mit ihrem Karren hinab zum Fluss, wo sie außerhalb der Stadtmauern ihre stinkende Fracht auf die Felder kippten. Sogar daran verdiente Hermann noch Geld, ordentlicher Dünger war bei den Bauern immer begehrt.
    Madlen hatte es irgendwann um Mitternacht herum aufgegeben, den Männern bei der Arbeit zuzusehen. Statt gegen den grässlichen Gestank abzustumpfen, empfand sie ihn als immer unerträglicher, weshalb sie schließlich zu Bett ging, im Vertrauen darauf, dass am nächsten Morgen die Sickergrube auch tatsächlich leer war. Oben hörte sie Johanns leises Schnarchen, er hatte sich schon vor ihr zur Ruhe begeben. Obwohl sie todmüde war, konnte sie nicht einschlafen. Sie betete einen halben Marienpsalter, doch auch das half nicht. Schließlich tat sie, was sie den ganzen Abend über vermieden hatte: Sie dachte über die Rechenstunde nach. Alle Ziffern von der Eins bis zur Null hüpften ihr im Kopf herum, sie bildeten lange, immer kompliziertere Zahlenschlangen, vor denen sie kapitulierte, weil sie ihre Vorstellungskraft sprengten. Wie nannte man eine Zahl mit sechs Nullen? Tausendtausend? Sie beschloss, Johann danach zu fragen. Damit waren ihre Überlegungen wieder bei ihm gelandet. Und zugleich direkt vor jener Klippe, die sie so gern umschifft hätte, weil sie ahnte, dass sie sonst daran zerschellen würde wie ein Schiff, das mit vollen Segeln auf das Land zuhielt, weil es von betörendem Sirenengesang angelockt wurde. Sie merkte, dass sie auf konfuse Weise ihre eigenen Gedanken mit den seltsamen Geschichten durcheinanderbrachte, die Veit immer erzählte. So wie die von den Schiffen und den Sirenen. Es war eine Geschichte, in der auch Schweine vorkamen. Und eine Zauberin. Und ein einäugiger Riese. Alle in der Stube hatten wie gebannt gelauscht, Berni hatte den Mund gar nicht mehr zubekommen, und selbst Willi, der sich immer in seinen Missmut hüllte wie in einen Mantel, hatte vor Staunen die Augen aufgerissen und sogar ein bisschen ängstlich

Weitere Kostenlose Bücher