Das Erbe der Elfen
werde ... ich werde an dich denken ...«
Ciri seufzte.
»Da bin ich, Frau Yennefer!«
Sie stürmte ins Zimmer wie vom Katapult geschossen; die aufgestoßene Tür prallte dumpf gegen die Wand. Ein im Wege stehender Schemel drohte ihr die Beine zu brechen, doch Ciri übersprang ihn geschickt, führte eine graziöse Halbpirouette und einen angedeuteten Schwertstreich aus, lächelte freudig über das gelungene Kunststück. Trotz des schnellen Laufs ging ihr Atem gleichmäßig und ruhig. Die Atemkontrolle beherrschte sie schon mit Perfektion.
»Da bin ich!«, wiederholte sie.
»Endlich. Zieh dich aus und ab in den Zuber. Ein bisschen plötzlich.«
Die Zauberin blickte sich nicht um, drehte sich nicht vom Tisch weg, vor dem sie saß; sie betrachtete Ciri im Spiegel. Mit langsamen Bewegungen kämmte sie ihre feuchten schwarzen Locken, die sich unter dem Zug des Kammes glätteten, nur, um sich gleich wieder zu schimmernden Wellen zu kräuseln.
Das Mädchen löste blitzschnell die Schuhschnallen, warf Schuhe und Kleidung ab und landete mit einem Platschen im Badezuber. Sie griff nach der Seife und begann sich energisch die Unterarme einzuseifen.
Yennefer saß reglos da, schaute zum Fenster hinaus, spielte mit dem Kamm. Ciri prustete, blubberte und spuckte, denn ihr war Seife in den Mund gekommen. Sie schüttelte den Kopf und fragte sich, ob es wohl einen Zauberspruch gebe, der es erlaubte, sich ohne Wasser, Seife und Zeitverschwendung zu waschen.
Die Zauberin legte den Kamm weg, blickte aber immer noch gedankenversunken zum Fenster hinaus, auf die Schwärme von Raben und Krähen, die inmitten von durchdringendem Gekrächze gen Osten flogen. Auf dem Tisch lagen neben einer beeindruckenden Batterie von Kosmetikflakons etliche Briefe. Ciri wusste, dass Yennefer seit langem auf diese Briefe gewartet hatte, dass sie von ihrem Empfang den Termin abhängig gemacht hatte, zu dem sie den Tempel verlassen würden. Im Gegensatz zu dem, was sie Jarre gesagt hatte, ahnte das Mädchen keineswegs, wohin sie reisen würden und zu welchem Zweck. In diesen Briefen aber ...
Während sie zur Ablenkung mit der linken Hand im Wasser platschte, formte sie mit den Fingern der rechten eine Geste, konzentrierte sich auf die Formel, heftete den Blick auf die Briefe und sandte einen Impuls aus.
»Wag es ja nicht«, sagte Yennefer, ohne sich umzuwenden.
»Ich dachte ...« Ciri hüstelte. »Ich dachte, einer davon ist von Geralt ...«
»Wenn es so wäre, hätte ich ihn dir gegeben.« Die Zauberin drehte sich auf dem Stuhl zu ihr herum. »Dauert das noch lange?«
»Ich bin fertig.«
»Steh bitte auf.«
Ciri gehorchte. Yennefer deutete ein Lächeln an. »Ja«, sagte sie. »Die Kindheit hast du schon hinter dir. Du bist an den richtigen Stellen rund geworden. Nimm die Hände runter. Deine Ellenbogen interessieren mich nicht. Na, na, ohne Ziererei, ohne falsche Scham. Das ist dein Körper, die natürlichste Sache auf der Welt. Dass du reifer wirst, ist ebenso natürlich. Wenn sich dein Schicksal anders gefügt hätte ... wärst du schon längst die Frau irgendeines Fürsten oder Königssohns. Das ist dir doch klar, nicht wahr? Nachdem wir über Fragen, die das Geschlecht betreffen, ziemlich oft und exakt gesprochen haben, musst du wissen, dass du schon eine Frau bist. Physiologisch, versteht sich. Du hast doch nicht vergessen, worüber wir gesprochen haben?«
»Nein. Ich habe es nicht vergessen.«
»Während der Besuche bei Jarre, hoffe ich, hast du auch keine Probleme mit dem Gedächtnis?«
Ciri schlug die Augen nieder, doch nur für einen Moment.
Yennefer lächelte nicht. »Trockne dich ab und komm zu mir her«, sagte sie kalt. »Verspritz bitte kein Wasser.«
In ein Badetuch gehüllt, setzte sich Ciri auf den Hocker zu Füßen der Zauberin. Yennefer kämmte ihr die Haare, schnitt von Zeit zu Zeit mit der Schere ein kleines widerspenstiges Knäuel ab.
»Bist du mir böse?«, fragte das Mädchen zögernd. »Weil ich ... im Turm war?«
»Nein. Aber Nenneke mag das nicht. Das weißt du.«
»Aber ich habe nichts ... Dieser Jarre kümmert mich überhaupt nicht.« Ciri errötete ein wenig. »Ich habe nur ...«
»Eben«, murmelte die Zauberin. »Du hast nur. Spiel nicht das Kind, denn du bist keins mehr, vergiss das nicht. Dieser Jarre wird bei deinem Anblick ganz wuschig. Weißt du das nicht?«
»Das ist nicht meine Schuld! Was soll ich machen?«
Yennefer unterbrach das Kämmen, musterte sie mit einem
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