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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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aufgewachsen, hast eine andere Kindererziehung erlebt. Ciri kommt aus dem Süden, dort werden Mädchen und Jungen völlig gleich erzogen, ganz ohne Unterschied, wie bei den Elfen. Auf ein Pony hat man sie gesetzt, als sie fünf war; mit acht ist sie schon zur Jagd geritten. Man hat sie den Umgang mit Bogen, Lanze und Schwert gelehrt. Ein blauer Fleck ist für Ciri nichts Neues  ...«
    »Erzähl mir keinen Unsinn«, ereiferte sich Triss. »Stellt euch nicht dumm. Das hier sind keine Ponys, keine Ausritte und Schlittenfahrten. Das ist Kaer Morhen! Auf diesen euren Windmühlen und Wippen, auf eurer 
Quälerei
 haben sich Dutzende von Jungen die Knochen und den Hals gebrochen, abgehärtete und erfahrene Herumtreiber wie ihr, die man auf den Straßen aufgelesen und aus den Rinnsteinen gezogen hat. Sehnige Halsabschneider und Vagabunden, die in ihrem kurzen Leben schon eine Menge durchgemacht hatten. Welche Chancen hat Ciri? Auch wenn sie im Süden aufgewachsen, auf Elfenart erzogen worden ist, sogar unter der Hand so eines Dragoners wie der Löwin Calanthe, ist und bleibt die Kleine eine Prinzessin. Empfindliche Haut, feiner Körperbau, dünne Knochen  ... Es ist ein Mädchen! Was wollt ihr aus ihr machen? Einen Hexer?«
    »Dieses Mädchen«, antwortete Geralt leise und ruhig, »diese empfindliche und feine Prinzessin hat das Gemetzel von Cintra überlebt. Ganz auf sich allein gestellt hat sie sich zwischen den Kohorten von Nilfgaard hindurchgeschlichen. Es ist ihr gelungen, den auf dem Lande wütenden Marodeuren zu entgehen, die geraubt und alles ermordet haben, was sich bewegte. Sie hat zwei Wochen in den Wäldern des Flusslandes überlebt, ganz allein. Einen Monat lang ist sie mit einer Gruppe von Flüchtlingen mitgezogen, hat wie alle anderen geschuftet und wie alle anderen gehungert. Fast ein halbes Jahr lang hat sie auf dem Acker und im Stall gearbeitet, nachdem sie von einer Bauernfamilie adoptiert worden war. Glaube mir, Triss, das Leben hat sie nicht schlechter gelehrt, gewappnet und abgehärtet als Herumtreiber wie uns, die von den Landstraßen für Kaer Morhen aufgelesen worden sind. Ciri ist nicht schwächer als unsereins, die unerwünschten Bankerte, die man den Hexern in den Schenken wie junge Katzen unterschob, in Weidenkörbchen. Und ihr Geschlecht? Was hat es zu bedeuten?«
    »Das fragst du noch? Du wagst noch, das zu fragen?«, schrie die Zauberin. »Was es zu bedeuten hat? Es hat zu bedeuten, dass das Mädchen im Gegensatz zu euch gerade seine Tage hat! Und dass sie das außerordentlich schlecht verträgt! Aber ihr wollt, dass sie sich auf der 
Quälerei
 und an irgendwelchen beschissenen Windmühlen die Lunge aus dem Leib hustet!«
    Trotz ihrer Wut empfand Triss angenehme Befriedigung beim Anblick der belämmerten Mienen der jungen Hexer und von Vesemirs plötzlich heruntergeklapptem Unterkiefer.
    »Ihr habt es nicht einmal gewusst.« Sie nickte mit schon ruhigerem, besorgtem, sanftem Vorwurf. »Das sind mir vielleicht Beschützer. Sie schämt sich, es euch zu sagen, weil man ihr beigebracht hat, dass man über diese Unpässlichkeit nicht mit Männern redet. Und sie schämt sich ihrer Schwäche, ihres Schmerzes, dass sie weniger tüchtig ist. Hat irgendeiner von euch daran gedacht? Sich dafür interessiert? Zu erraten versucht, was ihr fehlt? Und hat sie vielleicht hier bei euch in Kaer Morhen zum ersten Mal geblutet? Und nachts geweint, weil sie bei niemandem Mitgefühl, Trost fand, ja nicht einmal Verständnis? Hat irgendeiner von euch überhaupt daran gedacht?«
    »Hör auf, Triss«, ächzte Geralt leise. »Es reicht. Du hast erreicht, was du wolltest. Oder vielleicht sogar mehr, als du wolltest.«
    »Hol’s der Teufel«, fluchte Coën. »Schön zum Narren gemacht haben wir uns, keine Frage. Ach, Vesemir, dass du  ...«
    »Sei still«, knurrte der alte Hexer. »Sag nichts.«
    Am unerwartetsten verhielt sich Eskel, der aufstand, zu der Zauberin ging, mit einer tiefen Verbeugung ihre Hand ergriff und sie ehrerbietig küsste. Sie zog die Hand rasch zurück. Nicht, um Zorn und Verärgerung zu zeigen, sondern um die angenehme, sie durchdringende Vibration zu unterbrechen, die die Berührung Eskels hervorrief. Eskel emanierte stark. Stärker als Geralt.
    »Triss«, sagte er und strich sich verlegen über die hässliche Narbe auf der Wange. »Hilf uns. Wir bitten dich darum. Hilf uns, Triss.«
    Die Zauberin blickte ihm in die Augen, presste die Lippen zusammen. »Wobei? Wobei soll ich euch

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