Das Erbe der Elfen
jeder Trottel aber eine Hexerin muss klug sein.
Geralt, du hast versprochen, dass du kommst. Komm.
Deine Ciri
PS. Komm, komm.
PS 2. Mutter Nenneke hat gesagt, ich soll zum Schluss Schreiben
Gelobt Sei die Große Melitele, ihr Segen und ihre Gunst sollen immer mit Dir sein. Und dass dir nichts zustoßen soll.
Ciri
Ich würde gern nach Ellander reisen, dachte er, während er den Brief wegsteckte. Aber das ist gefährlich. Ich könnte sie auf ihre Spur bringen ... Mit diesen Briefen muss auch Schluss sein. Nenneke benutzt die Priesterpost, aber trotzdem ... Verdammt, es ist zu riskant.
»Hmmm ... Hm ...«
»Was ist nun schon wieder, Pletscherper? Am Kranichwerder sind wir schon vorüber.«
»Und den Göttern sei Dank, ohne Zwischenfall«, sagte der Schiffer aufatmend. »Ha, Herr Geralt, die Reise wird wieder ruhig, ich seh’s. Der Nebel wird sich gleich lichten, und wenn die Sonne hervorschaut, ist alles überstanden. Das Untier lässt sich bei Sonne nicht blicken.«
»Das kann mir nur recht sein.«
»Ich denke« – Pletscherper lächelte schief –, »die Reederei bezahlt Euch pro Fahrt. Ob was passiert oder nicht – es bringt was ein?«
»Du fragst, als ob du es nicht wüsstest. Spricht da etwa der Neid aus dir? Dass ich mein Geld verdiene, indem ich an der Reling stehe und die Möwen beobachte? Und wofür wirst du bezahlt? Für das Gleiche. Dafür, dass du an Deck bist. Wenn alles glattgeht, hast du nichts zu tun, spazierst zwischen Bug und Heck hin und her, grinst die Passagierinnen an oder versuchst, dir von den Kaufleuten einen Schnaps spendieren zu lassen. Ich bin auch angeheuert worden, an Deck zu sein. Für alle Fälle. Sichere Fahrt, weil ein Hexer an Bord ist. Die Kosten für den Hexer sind im Fahrpreis inbegriffen, nicht wahr?«
»Ja, gewiss doch«, seufzte der Schiffer. »Die Reederei büßt nichts ein. Ich kenne sie gut. Ich fahre für sie das fünfte Jahr im Delta, von Gyscht nach Nowigrad, von Nowigrad nach Gyscht. Nun, so viel zur Arbeit, Herr Hexer. Stützt Ihr Euch auf die Reling, ich gehe zwischen Bug und Heck hin und her.«
Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Geralt nahm den zweiten Brief aus der Tasche, den er vor kurzem von einem seltsamen Boten erhalten hatte. Er hatte den Brief schon an die dreißig Mal gelesen. Der Brief roch nach Flieder und Stachelbeeren.
Lieber Freund ...
Der Hexer fluchte im Stillen angesichts der scharfen, gleichmäßigen, kantigen, mit energischer Hand geschriebenen Runen, die die Stimmung der Verfasserin unmissverständlich wiedergaben. Abermals hatte er große Lust, sich vor Wut in den Hintern zu beißen. Als er vor einem Monat an die Zauberin geschrieben hatte, hatte er zwei Nächte lang überlegt, wie er beginnen sollte. Schließlich hatte er sich für ›Liebe Freundin‹ entschieden. Und das hatte er nun davon.
Lieber Freund, über Deinen unerwarteten Brief fast drei Jahre nach unserer letzten Begegnung habe ich mich außerordentlich gefreut. Meine Freude war umso größer, als allerlei Gerüchte über Dein plötzliches und gewaltsames Ableben kursierten. Es ist gut, dass Du Dich entschlossen hast, sie zu dementieren, indem Du mir schreibst, gut ist auch, dass Du es so schnell tust. Aus Deinem Brief geht hervor, dass Du ein ruhiges Leben geführt hast, herrlich langweilig und bar jeglicher Ereignisse. In diesen Zeiten ist solch ein Leben wahrlich ein Privileg, lieber Freund; ich freue mich, dass Du es erlangen konntest.
Die plötzliche Sorge um meine Gesundheit, die Du, lieber Freund, zu zeigen geruhst, hat mich gerührt. Ich eile mich zu vermelden, dass ich mich alles in allem wohlfühle, die Zeit der Unpässlichkeit schon hinter mir und Scherereien überwunden habe, mit deren Schilderung ich Dich nicht langweilen will.
Es bekümmert und beunruhigt mich sehr, dass das unverhoffte Geschenk, das Du vom Schicksal erhalten hast, Dir Ungemach bereitet. Mit der Annahme, dies erfordere fachgerechte Hilfe, hast Du absolut recht. Obwohl die Beschreibung der Schwierigkeiten – verständlicherweise – enigmatisch ist, bin ich mir sicher, dass ich die Quelle des Problems kenne. Und ich stimme der Ansicht zu, dass die Hilfe einer weiteren Magierin unerlässlich ist. Ich fühle mich geehrt, dass ich die Zweite bin, an die Du Dich wendest. Womit habe ich solch einen hohen Rang auf der Liste verdient?
Sei beruhigt, lieber Freund, und solltest Du Dich mit dem Gedanken tragen, noch weitere Magierinnen
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