Das Erbe der ersten Menschheit (German Edition)
die Zusammenhänge. Der Terroranschlag und der damit verbundene Tsunami auf dem Genfer See hatten wochenlang die Nachrichten beherrscht. Aber das war eine andere Geschichte und lange her.
„Das ist aber nicht alles, was du sagen wolltest.“ Olaf kannte seinen Bruder zu gut, als dass der ihm etwas verschweigen konnte. Wegen einer Sache aus der Vergangenheit würde Tobias seinen Wein nicht so anschauen, als hätte jemand Benzin hineingegossen.
„Nein, das ist nicht alles. Leider. Die schöne, neue, friedliche Welt, wie ihr sie seht, existiert nur an der Oberfläche. Darunter sieht es anders aus.“
Anne stöhnte. „Lernen die Menschen denn nie?“
„Die meisten schon“, sagte Olaf, „aber nicht alle. Auch in einer unfriedlichen Welt gibt es viele, die von dem existierenden Zustand profitieren. Unglücklicherweise sind das die, die durch das alte System Geld und Macht haben, und diese Pfründe geben sie nicht kampflos auf, selbst wenn das für die Allgemeinheit besser wäre. Denk an die Waffenlobby in den USA. Es ist eine simple Wahrheit, dass mit weniger Waffen auch weniger Menschen sterben würden. Aber sobald jemand auch nur ein bisschen an den bestehenden Zuständen rüttelt, leistet die Waffenlobby erbitterten Widerstand, weil sie um ihre Gewinne fürchtet.“
Anne brauchte nicht lange, um diesen Gedanken weiterzuspinnen. „Und heute geht es um tausendfach Größeres als bei der Waffenlobby. Die Rüstungsindustrie, die Geheimdienste, das Militär. Hier sind unfassbare Mengen an Geld hingeflossen, hier arbeiten weltweit hundert Millionen, und an der Spitze stehen Machtmenschen. Die lassen sich nicht einfach so ausknipsen. Schon klar.“
Anne stand auf, ging zur Brüstung der Veranda und sah zu den Berggipfeln im Licht der untergehenden Sonne.
„Was sind dagegen schon ein paar Container, selbst wenn sie noch so viel Wissen enthalten“, sagte Elena. Ihre Stimme klang traurig.
„Sie bedeuten sehr viel“, sagte Anne. „Sie können mehr Macht bedeuten als je zuvor.“
Sie drehte sich zu Tobias. „Zeig uns, was du weißt.“
Tobias ging voran, eine schmale Holztreppe hinunter, Olaf und Anne folgten. Elena ging in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.
Sie kamen in einen Vorratskeller, wie man ihn unter vielen Chalets erwarten konnte. Das einzig Auffällige war ein gut gefüllter Weinschrank mit unterschiedlichen Temperaturzonen. Ansonsten gab es einen Stapel Wasserkästen, Wa schmittelkartons und Regale mit Vorräten.
„Sieht sehr gefährlich und geheimnisvoll aus“, bemerkte Olaf spöttisch.
„Das gehört zur erhöhten Sicherheit“, sagte Tobias. „Oberstes Gebot ist Unauffälligkeit. Solange hier niemand etwas vermutet, wird auch niemand hier suchen. Von dieser Einrichtung wissen nur der engste Leitungskreis von CERN und ihr jetzt, aber ihr habt ja die höchste Sicherheitseinstufung.“
Tobias öffnete die Tür eines schmuddelig aussehenden Wandschranks und schob ein altes Arbeitshemd beiseite.
Olaf pfiff durch die Zähne. „Wow! Iriserkennung, Stimmanalyse, Fingerabdruckscanner. Ich bin beeindruckt.“
„Unauffälligkeit ist eben nicht alles, nur die erste Stufe.“
Tobias legte seinen Zeigefinger in den Scanner, hielt sein Auge vor die Linse und sagte: „Tobias Bürki und zwei Gäste.“
Ein Wandregal bewegte sich zur Seite, als würde es nichts wiegen, dabei war die Stahlwand, die sich mit dem Regal bewegte, gut acht Zentimeter dick.
Sie traten in einen Raum, dessen eine Hälfte durch einen hufeisenförmigen Tisch ausgefüllt wurde, auf dem vier Tastaturen verteilt waren. An der Wand hing ein übergroßer Bildschirm, und vor jeder Tastatur stand ein weiterer. Die andere Hälfte des Raums war mit einer Glasscheibe abgetrennt, eine klimatisierte Zone für die Rechnertürme.
„Das hat eine Stange Geld gekostet“, bemerkte Olaf.
„CERN ist das teuerste Experiment der Menschheit. Bei den Milliarden, die da verbaut wurden, fällt die Million, die das hier gekostet hat, kaum auf.“
„Und du arbeitest alleine hier?“
„Je weniger davon wissen, desto besser. Natürlich gibt es eine große Sicherheitsabteilung in CERN. Das hier ist nur die letzte Rückfallebene.“
„Hört sich an wie im Krieg“, sagte Anne.
Tobias zuckte die Schultern. „Besser ein paar Jahre vergeblich das hier bezahlen, als ein einziges Mal alles verlieren. Das ist nicht anders als bei jeder Hausratversicherung.“
Anne ging zum Steuerpult. Ihre Hausratversicherung war billiger, aber im
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