Das Erbe der ersten Menschheit (German Edition)
Reporter, die sich an Annes Fersen hefteten, waren weniger geworden, aber es gab sie immer noch. Anne konnte sich nie sicher sein, ob nicht doch jemand auf die Idee kam, bei ihr nach einer Story zu graben.
In der Toskana kamen Anne und Olaf nie an. Irgendwann bog Olaf vom Weg ab und fuhr in Richtung Genf. Dort wohnte sein Bruder Tobias in einem wunderschönen Chalet zusammen mit seiner Frau Elena. Elena hätte eigentlich auf der ersten Mondexpedition als Vertreterin Russlands mitfliegen sollen, war dann aber wegen eines unglücklichen Unfalls ausgefallen. Kurz vor diesem Ereignis hatte sie Tobias kennengelernt, als sie mit Anne und Olaf nach Genf gekommen waren, um den aufziehenden ersten Cyberwar aufzudecken. Tobias besaß das nötige Equipment, um zu beobachten, wie sich China und die USA gegenseitig ausspionierten und anschließend sabotierten.
Bald würden die Vier wieder zusammensitzen, aber dieses Mal war der Grund persönlicher Natur. Ihr eigentliches Ziel war Professor Adolphe Bernard, ein führender Neurologe, den Olaf noch von seinen Studienzeiten in der Schweiz her kannte.
Wie immer, wenn Anne und Olaf zu Besuch hierher kamen, präsentierte sich die Landschaft um den Genfer See als Postkartenpanorama. Das Wasser des Sees glitzerte in der Sonne, die schneebedeckten Gipfel der Berge leuchteten strahlend weiß vor einem blauen Himmel. Es war fast paradiesisch schön, aber Anne hatte alles andere als Urlaubsgefühle. Nach ihrer Rückkehr vom Mond hatte sie Monate bei Ärzten verbracht und sich dabei mehr und mehr wie ein Versuchskaninchen gefühlt. Das hatte sie beendet - und es würde nie wieder vorkommen. Dem Besuch bei Professor Bernard hatte sie nur zugestimmt, weil Olaf ihn persönlich kannte und weil sie wissen wollte, was in ihr vorging. Sie mochte es nicht, dass etwas in ihr passierte und sie nicht wusste, was.
Tobias und Elena hießen Anne und Olaf herzlich willkommen. Tobias war zwei Jahre jünger als sein Bruder und strahlte immer noch die Ruhe und Gelassenheit aus wie früher. Das Leben in der Schweiz war nicht so hektisch wie im Rhein-Main-Gebiet, und das färbte wohl ab. Elena war genauso schlank gewesen wie Anne, aber jetzt zeichnete sich eine deutliche Rundung unter ihrem Shirt ab.
„Du bist schwanger?“, fragte Anne. „Davon hast du am Telefon gar nichts erzählt.“
„Wir wollten euch überraschen“, sagte Elena und legte einen Arm um Tobias.
„Das ist euch gelungen . Herzlichen Glückwunsch“, sagte Anne und nahm Elena in den Arm „Wisst ihr schon, was es wird?“
Elena lachte. „Auf jeden Fall kein Weltraum-Kind. Kommt erst mal auf die Terrasse, dann können wir erzählen.“
Vor der Kulisse der untergehenden Sonne schmeckte der Rotwein besonders gut.
„Das erste Mal, als wir so hier gesessen haben, stand die Welt kurz vor einem Krieg“, sagte Olaf irgendwann. „Diese Zeiten liegen zum Glück hinter uns. Hast du eigentlich deinen Keller immer noch vollgestopft mit Technik? Das Internet zu beobachten, dürfte ziemlich langweilig geworden sein.“
Tobias war für die Sicherheit der Rechner und der Software am europäischen Forschungszentrum CERN verantwortlich, wo ganz nebenbei 1989 das moderne Internet erfunden worden war. Tobias hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Internets weiter zu verfolgen und hatte dazu eine Menge Tools entwickelt, die ihm Einblicke in die innersten Vorgänge des weltweiten Netzwerks gestatteten.
Bei Olafs Bemerkung verfinsterte sich sein Gesicht. Er schwenkte den Wein in seinem Glas und beobachtete ihn nachdenklich.
„Die Technik ist sogar mehr geworden, dieses Mal finanziert von CERN, aber das unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe.“
Anne fixierte Tobias mit ihrem Blick. Diese Einführung konnte nichts Gutes bedeuten.
„Nach dem Terrorangriff auf den Teilchenbeschleuniger vor einigen Jahren hat CERN eine weitere Sicherheitsstufe eingerichtet, die der Öffentlichkeit unbekannt ist, und das soll auch so bleiben. Sie liegt nicht auf dem Forschungsgelände, sondern hier.“ Tobias deutete mit seinem Zeigefinger nach unten. „Ich kann von hier aus im Notfall sogar den Beschleuniger herunterfahren.“
Olaf sah nach unten, obwohl dort nur das Holz des Terrassenbodens zu sehen war. Das waren überraschende Neuigkeiten. „Irgendwie verständlich“, sagte er. „Niemand hat Lust, dass die Erde noch mal durch einen durchgeknallten Wissenschaftler und außer Kontrolle geratene Experimente bedroht wird.“
Olaf kannte
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