Das Erbe der ersten Menschheit (German Edition)
verschwand in einem aufziehenden Nebel.
Nein. Nicht jetzt.
So rasch wie möglich sammelte sie all ihre Konzentration. In Gedanken lief sie hinter dem Traum her. Sie fing ihn ein, bevor er ganz verblassen konnte. Die viele Übung mit den eingefangenen Schmerzen kam ihr jetzt zugute. Sie fing ihren Traum wieder ein und stellte sich vor, wie sie den Tonabnehmer zurück auf die Platte setzte, an der Stelle, als sie sich durch die Pflanzen zwängte und zum ersten Mal den See sah.
Anhanguera-Saurier kreischten in der Luft. Einer stürzte herab ... Sie war wieder in ihrem Traum. Sie ging zum Ufer, balancierte auf den Steinen, blieb auf dem letzten stehen und sah nach unten. Im Wasser erblickte sie ihr Spiegelbild - oder doch nicht?
Anne sah ein Wesen mit dunklen Augen und glatten, schwarzen Haaren. Es war eindeutig eine Frau , die anscheinend etwas kleiner als sie selbst war, etwa wie ein Teenager. Die Frau war nackt, aber das war es nicht, was Anne so überrascht hatte. Die Haut der Frau glänzte grün. Auch da, wo sich bei Menschen das Weiße im Auge befand, leuchtete es grün.
Die Frau sprang kopfüber ins Wasser. Das Spiegelbild verschwand.
26.
Endlich konnte er auf die lästige Schutzkleidung verzichten. Aroon Bakshi war erleichtert, den anderen ging es ähnlich. Mittlerweile war klar, dass von den Geräten der Lantis weder Giftstoffe noch Keime ausgingen, die ihnen gefährlich werden konnten. Umgekehrt machten Staub und Keime aus der Jetztzeit den Lantisgeräten nichts aus. Also sparte man sich den Umstand - und vor allem die Zeit, für eine keimfreie Umgebung zu sorgen.
Die gewonnene Zeit empfand Bakshi als größten Gewinn. Er verbrachte jede Minute mit dem Genom auf dem Y-Speicherkristall und den Geräten, die aus diesem Datensatz wieder ein Wesen schaffen sollten. Er konnte immer noch nicht glauben, dass so etwas möglich sein sollte, an Schlaf brauchte er gar nicht zu denken. Die Phantasie über das, was mit so einer Technologie machbar war, hielt ihn wach. Vermutlich sah er fürchterlich aus, aber das war ihm egal und den anderen auch. Ihnen ging es mit ihren Aufgaben kaum anders.
Vorsichtig öffnete Bakshi den Tiefkühlbehälter, den Arman eben vorbeigebracht hatte. Arman war neben Professor Hawker der Einzige, der nach oben durfte. Einer musste schließlich das Material besorgen, das sie für ihre Arbeit brauchten.
Der Behälter enthielt fünf Kapseln mit Flüssigkeiten entsprechend der Beschreibung im Handbuch des Gencomposers. Vier gleich große waren mit A, T, G und C bezeichnet. Das waren die Kürzel für die Bausteine der DNA, die die Erb-Information enthielten. Die fünfte, etwas größere Kapsel zierte ein großes P, das für die Bausteine des Phosphatrückgrats der DNA-Helix stand. Hieran würden später die einzelnen Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin angeheftet. Bakshi ging äußerst vorsichtig mit den Kapseln um. Für ihn waren sie wertvoller als ein Tresor voller Gold. Er baute sie in die dafür vorgesehenen Stellen im Gencomposer ein und schloss den Gehäusedeckel. Es war sehr ähnlich wie das Einsetzen von Patronen in einen Tintenstrahldrucker, und der Composer funktionierte auch fast so. Nur dass die „Düsen“ so fein waren wie die Spitzen eines Rastersondenmikroskops, wie Bakshi es aus seinem früheren Labor kannte. Die Lantis hatten es einfach genial weiterentwickelt.
Bakshi startete einen Testlauf. Alles lief reibungslos, auch nach fünfundsechzig Millionen Jahren. Fasziniertverfolgte er, wie ein tausend Basen langer Strang einer DNA-Helix entstand.
Eine Tonfolge klang durch das Labor, ein Zeichen, dass Besucher unterwegs waren. Wahrscheinlich der Professor mit dem Scheich. Bakshi schaltete den Composer aus und ging ihnen entgegen.
Al-Qummi war anscheinend auch froh, auf die Schutzkleidung verzichten zu können. Er trug trug traditionelle Kleidung, wie Bakshi sie aus Masdar-City kannte, einen weiten Thawb aus leichter, weißer Baumwolle, und dazu die Guthra als Kopfbedeckung, die mit einem schwarzen Strick, dem Agal, zusammengehalten wurde. Professor Hawker trug wie immer einen maßgeschneiderten Business-Anzug.
„Salam alaykum“, grüßte Bakshi. Er wusste, dass dem Scheich diese Höflichkeitsform gefiel. Der grüßte mit „Wa alaykum as-salam“ zurück.
Die anderen grüßten einfach nur „Hallo“, was den Scheich auch nicht zu stören schien. Anderes war ihm jetzt wohl wichtiger.
„Sie sind bereit, hat mir Professor Hawker erzählt?“ , fragte
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