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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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einem dreimal so alten Meister zu vermählen. Denn die Mitgift würde sicherlich so manchen Freier anlocken, da ihr Vater ein sehr wohlhabender Mann war.
    Sie hatte den Durchgang zum Innenhof erreicht. Um eine ausdruckslose Miene bemüht, durchquerte sie die Halle, wich der jüngsten Magd des Hauses – der zehnjährigen Barbara – aus und erklomm die Treppe ins Obergeschoss. Nachdem sie in wenigen Monaten ihren fünfzehnten Geburtstag feiern würde, musste ihr Vater allmählich für einen Ehemann sorgen, da sie ansonsten als alte Jungfer enden würde. Oder als Nonne wie ihre älteste Schwester. Ein Gefühl der Kälte ließ sie wünschen, ein wärmeres Gewand angezogen zu haben. Am Treppenabsatz angekommen, stieß sie die Tür zur Stube auf, wo ihre Mutter und die beiden anderen Mägde beim Spinnen saßen. Wie gewöhnlich hatte Anna von Ensingen ihren kostbaren, perlenbestickten Oberrock für die häusliche Arbeit nach oben gerafft, um ihn vor Schaden zu bewahren. Anders als ihr Gemahl schätzte sie die extravaganten Spielarten der Mode durchaus, doch achtete sie stets darauf, die Kleidung ihrem Alter gemäß zu wählen. Mit ihren einunddreißig Jahren war sie neun Jahre jünger als der Werkmeister, dem sie in den fünfzehn Jahren ihrer Ehe elf Kinder geboren hatte. Fünf davon waren bereits im frühen Kindesalter gestorben, sodass außer Brigitta noch ihre beiden Schwestern und drei Brüder übrig waren, von denen zwei als Lehrlinge auf der Münsterbaustelle beschäftigt waren. Das Nesthäkchen, der dreijährige Kaspar, spielte neben dem Kachelofen mit seinen tönernen Murmeln, mit denen er versuchte, sorgsam aufgestellte, zugeschnitzte Rinderknochen umzukegeln. Der mit bunten Steinen verlegte Boden wirkte frisch gescheuert, und auch der silberne Kronleuchter und die auf den Wandbrettern verteilten Kerzenständer waren auf Hochglanz poliert. Um die Frühlingsluft hereinzulassen, hatte jemand die Holzläden der Fenster geöffnet, deren obere Drittel mit Rautenscheiben verglast waren.
    »Brigitta.« Anna von Ensingen hob den Kopf und lächelte ihre Tochter freudig an. Auf der hohen Stirn, die sie durch Rasur des Haaransatzes betont hatte, glänzten ein paar Schweißtropfen, da das Betätigen des steinernen Schwungrades der Spindel harte Arbeit darstellte. Das ovale Gesicht mit der geraden Nase und dem kleinen, geschwungenen Mund war leicht gerötet, was ihr ein beinahe jugendliches Aussehen verlieh. »Du kommst gerade richtig. Elisabeth braucht Hilfe beim Zuschneiden des Stoffes.« Das fünfzehnjährige Mädchen begrüßte die Tochter des Hauses mit einem erleichterten Lächeln und ließ die hölzerne Messlatte sinken. »Wenn du den Stoff straffen könntest, wäre es leichter, die Konturen aufzuzeichnen.« In ihrer Hand hielt sie ein Stückchen Schneiderkreide, mit dem sie auf einen grün gefärbten Ballen Leinen zeigte, der auf dem Holztisch in der Mitte des Raumes ausgelegt war. Daneben hatte sie drei Scheren in unterschiedlichen Größen und einige Schablonen bereitgelegt.
    »Sicher«, erwiderte Brigitta und zerzauste ihrem kleinen Bruder im Vorbeigehen den Schopf, was dieser mit einem unwilligen Laut quittierte. Mit beiden Händen zog und zerrte sie an der Stoffbahn, bis deren Lage Elisabeths Vorstellungen entsprach, und sah dabei zu, wie sie – die älteste Tochter eines Gewandschneiders – mit geschickten Bewegungen das Rückenteil eines Hemdes daraus hervorzauberte.
    Während die Frauen arbeiteten, plauderten sie über dies und das, und als die Sprache auf den neuen Gesellen kam, der am Dienstag ihrem Haushalt beigetreten war, horchte Brigitta wider Willen neugierig auf. Wenngleich sie sich den Neuankömmling aus lauter Furcht vor Entdeckung nicht genauer angesehen hatte, waren ihr sein gut aussehendes Gesicht und die ungewöhnlichen Augen aufgefallen. Da ihr Herz jedoch vor Vorfreude auf das Treffen mit Gunner gerast hatte, kam er ihr erst jetzt wieder in Erinnerung.
    »Er ist aus Straßburg«, wusste die siebzehnjährige Ursula, die schon mehr als einmal eine Rüge dafür erhalten hatte, dass sie allzu offensichtlich mit den Gesellen und Lehrlingen schäkerte. Mit der ihr eigenen, überhitzten Art erging sie sich in Beschreibungen seiner Statur, seines Mundes und seiner engen Hosen, was Anna von Ensingen ein pikiertes Hüsteln entlockte. Schon bald jedoch verlor Brigitta das Interesse an dem leeren Geplapper, da der besagte junge Mann erstens zurzeit in Donzdorf weilte und es sich bei ihm zweitens mit

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