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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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werden dafür sorgen, dass er ins Gefängnis gebracht wird, sobald er gesund ist«, fuhr er fort und beäugte Ortwin herablassend. Dieser kämpfte schwankend um sein Gleichgewicht, da sich der Raum in einem wilden Wirbel um ihn drehte. Jede einzelne Faser seines Körpers schien bereits in den Flammen der Hölle zu brennen, während seine Blase – wie bereits mehrmals an diesem Tag – vergeblich versuchte, das Inferno zu löschen. In einem traurigen Rinnsal rann die Feuchtigkeit an den Innenseiten seiner Schenkel hinab, versickerte jedoch bereits auf Kniehöhe in den schmutzstarrenden Hosen.
    » Falls er wieder gesund wird.« Die Falten auf der Stirn des Wachmannes vertieften sich, als er mit dem Daumen über die Schulter auf den Metzgerturm – das Gefängnis der Stadt – deutete. »Da drin sind beinahe alle tot. Der Henker hat bald keine Arbeit mehr.« Er schnaubte und fuchtelte mit dem Tuch vor Ortwins Gesicht herum. »Deshalb hat der Rat beschlossen, dass keine Kranken mehr eingesperrt werden.« Der Blick seiner eisblauen Augen ruhte auf Ortwin, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. »Wir pflegen sie erst gesund, um sie dann auseinanderzunehmen«, versetzte er mit einem kurzen Lachen und wies zwei seiner Leute an, die Stricke an Ortwins Handgelenken durch Ketten zu ersetzen.
    »Seid versichert, er wird seiner gerechten Strafe zugeführt«, bemerkte der Mann an Wulf gewandt, den er mit einer höflichen Geste nach draußen bat. Kaum war der Gefangene mit den Wächtern allein, begannen diese, derbe Scherze auszutauschen. Nachdem sie Ortwin auf den Henkerskarren geschafft hatten, bemerkte einer von ihnen düster: »Gewöhn dich schon mal daran. Wenn du überlebst, steht dir eine Fahrt zur Donau bevor.« Mit diesen Worten warf er den Verschlag zu, hangelte sich auf den Kutschbock und ließ die Peitsche knallen.
    Mit einem Ruck setzte sich das von einem Ochsen gezogene Fuhrwerk in Bewegung, dem schon bald eine Traube neugieriger Kinder folgte, die Ortwin mit aufgerissenen Augen begafften. Trotz des lauen Sommerabends fröstelnd, senkte dieser die Lider und versuchte, nicht an all die Hinrichtungen zu denken, denen er selbst schon beigewohnt hatte.
    Urplötzlich schien die sanft aus dem Süden fächelnde Brise schneidende Kälte mitzubringen und den Schweiß auf Ortwins Haut einzufrieren, sodass sich die Haare auf seinen Armen unvermittelt aufrichteten. Schlotternd schob er das verfaulte Stroh zur Seite, kauerte sich auf den Boden des holpernden Gefährts und zog die grauenvoll schmerzenden Beine an die Brust. Als sein Ellenbogen einen der Gitterstäbe des Wagens streifte, war es, als schösse siedendes Blei durch seine Adern, und er stieß einen gequälten Schrei aus. Stöhnend grub er die Zähne in den Handrücken, um weitere Laute zu unterdrücken. Wenn diese entsetzliche Tortur doch nur bald ein Ende hätte!, dachte er, während sein Geist erneut von einer roten Wolke des Schmerzes eingehüllt wurde. Mit einem Wimmern versuchte er, die Beulen in seinen Achselhöhlen und seiner Lendengegend vor Stößen zu schützen, doch da der gepflasterte Untergrund alles andere als eben war, gelang ihm dies nur bedingt. Da selbst der über die Schwellungen streifende Stoff ihm unvorstellbare Pein bereitete, brachte ihn das Rütteln des Karrens beinahe um den Verstand, und bereits nach kurzer Zeit wünschte er, er würde – wie auf dem Weg nach Ulm – von einer Ohnmacht erlöst.
    Als das Gefährt schließlich vor den Toren der Franziskanerabtei anhielt, griff der größere der beiden Wächter grob nach einem der Kettenenden und zerrte Ortwin – sein Heulen ignorierend – hinter sich her auf das Infirmarium zu. Dort wurde die kleine Abordnung von einem ausgemergelten Mönch in Empfang genommen, der sie in einen abgelegenen Teil des Gebäudes führte, vor dessen Fenstern Gitterstäbe in das Mauerwerk eingelassen waren.
    Vorbei an unzähligen Kranken taumelte Ortwin die Gänge entlang, fiel mehr als einmal über in Leintücher eingenähte Tote und verschloss die Ohren vor den gemarterten Schreien der Pestkranken, die den seinen so sehr ähnelten.
    »Manche von ihnen muss man ans Bett binden«, bemerkte der Barfüßer sachlich, als sie an einem tobenden Jüngling vorbeikamen, dessen Mund und Kinn schaumbedeckt waren. »Sonst bereiten sie vor lauter Schmerz ihrem eigenen Leben ein Ende und verdammen ihre Seelen zur ewigen Nacht.«
    Je weiter sie in die Tiefen des Hospitals eintauchten, desto durchdringender wurde der

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