Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
gar nicht nötig. Lirandil hatte einem ehemaligen Schüler in der Kunst des Fährtensuchens offenbar bereits in Gedanken ein Bild derjenigen übermittelt, die ihn begleiteten. »E rstaunlich«, murmelte der alte Mann. »G enauso habe ich mir jeden einzelnen Eurer Begleiter vorgestellt. Es hat mich gefreut, dass Ihr unsere gedankliche Verbindung vor einiger Zeit wieder aufgenommen habt, werter Lirandil. Das erinnerte mich an meine Jugend, als Ihr mich unterrichtet habt.«
»M einem Gefühl nach ist die geistige Verbindung nie abgerissen«, wunderte sich Lirandil etwas.
Ferach lächelte nachsichtig. »S o viel Elben und Elbenoiden auch gemeinsam haben mögen– das Empfinden der Zeit wird uns wohl immer unterscheiden. Und das gilt offenbar sowohl für einen Elb, der überwiegend unter Menschen lebt, als auch für Menschen, die versuchen, der Lebensweise der Elben nachzueifern.«
»M ag sein, dass ich die Zeit und ihre Bedeutung für die kurzlebigen Völker noch immer unterschätze.«
»A llerdings war ein Libellenreiter nicht dabei, als Ihr mir Eure Gedanken gesandt habt, Lirandil.« Ferach betrachtete Nomran-Kar ganz genau, ehe er schließlich auch die anderen Anwesenden einer ausgiebigen Musterung unterzog. »U nd sollten nicht eigentlich drei Halblinge Euch begleiten?«
»U nser Freund Neldo hat uns leider vor einer Weile verlassen«, sagte Borro.
»N un, ich weiß nicht, ob eine so kleine Gruppe von Geschöpfen wirklich zu dem imstande ist, was Ihr Euch vorgenommen habt…«
Selbst darüber scheint er mehr zu wissen als wir, ging es Arvan ärgerlich durch den Kopf. Lirandil schien seinen alten Schüler ausführlicher informiert zu haben als seine Gefährten. Arvan fand das mehr als einfach nur ärgerlich. Von wem hängt denn alles letztlich ab? Von dem, der diesen verfluchten Stab tragen muss, dachte er. Und nicht von einem alten Wunderling.
»I hr seid angegriffen worden«, stellte Ferach fest. »D ie Gedanken meines Sohnes haben mich das sehen lassen… Waren das Ghools Geschöpfe?«
»M an nennt sie Gharandoi«, sagte Lirandil. »V ogelreiter.«
»G laubt Ihr, es besteht die Gefahr, dass sie zurückkehren, um die Insel zu betreten?«
»V ermutlich nicht, wenn wir so schnell wie möglich weiterreisen«, gab Lirandil offen zu. »U nd davon abgesehen dürfte auch die Magie, die Eure Insel umgibt, zumindest einen gewissen Schutz darstellen.«
»D ie Macht Ghools reicht gewiss aus, um sie zu überwinden«, gab Ferach zu bedenken.
»D as wird er nur tun, wenn der Aufwand sich für ihn lohnt. Er kämpft an vielen Fronten gleichzeitig und ist derzeit gezwungen, seine Kräfte zu konzentrieren.«
»N icht alle in unserer Gemeinschaft sind glücklich über das Risiko, das Euer Besuch für uns derzeit gewiss bedeutet«, sagte Ferach offen. »D ie Abstimmung im Ältestenrat darüber, ob wir Euch überhaupt helfen sollen, war sehr knapp.«
»A uch die Elbenschüler von Colintia könnten sich langfristig aus diesem Krieg nicht heraushalten«, gab Lirandil zu bedenken. »D enn Ghool wird es nicht zulassen, dass es einen Bereich gibt, der nicht seiner Herrschaft unterliegt.«
»D ieses Argument hat die Mehrheit überzeugt, Lirandil. Und deswegen seid Ihr hier und genießt das Asyl unserer friedlichen Insel. Mein Sohn Osgeion wird die Zeit nutzen, um ein Schiff auszurüsten, das Euch an die Küste des Ost-Orkreichs bringen wird. Von dort an seid Ihr dann auf Euch allein gestellt.«
»I ch danke Euch für Eure Großzügigkeit«, sagte Lirandil.
»U nd ich hoffe, dass wir sie nicht noch bitter bezahlen werden«, entgegnete Ferach. »W ir sind eine friedliche Gemeinschaft, die das Tragen von Waffen ablehnt – und wir haben es über viele Generationen hinweg geschafft, uns aus den Kriegen der uns umgebenden Reiche herauszuhalten.«
»D ies ist kein Krieg wie jeder andere«, war Lirandil überzeugt.
»J a, dieses Argument wird regelmäßig vor jedem neuen Waffengang wiederholt, und es gibt auch unter uns immer wieder Stimmen, die meinen, dass wir uns einmischen müssten, um unsere eigenen Interessen zu wahren. Ich kann nur hoffen, dass Eure Einschätzung richtig ist.«
Ferach erhob sich mit Mühe von seinem Diwan. Als Lirandil ihm helfen wollte, wehrte er jedoch ab. »I ch lasse mir nicht von jemandem aufhelfen, der noch älter ist als ich«, sagte er matt lächelnd. Dann wandte er sich Arvan zu. »M an spricht viel von dir, Arvan.«
»D as mag sein.«
»A nscheinend halten dich viele für den größten Helden
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