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Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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mit seiner Linken. Die Wolke verteilte sich über einen noch größeren Bereich der Turmwand. Funken aus Schwarzlicht sprühten. Die Leuchtkraft des Turms schien etwas nachzulassen. Plötzlich wurde eine hohe Tür aus dunklem Holz sichtbar, in das Runen aus Elbengold eingearbeitet waren.
    »N a also, wer sagst’s denn«, sagte der Dunkelalb, dessen dünnlippiger Mund ein zufriedenes Lächeln formte. »D er erste Schritt ist getan!«
    Die goldenen Elbenrunen in der Tür veränderten nun die Farbe. Sie begannen aufzuglühen. Rotgelbe Strahlen schossen aus ihnen heraus, trafen Brogandas und umfingen ihn völlig. Er schrie auf, als sein Körper plötzlich emporgeschleudert wurde, so als hätte eine unsichtbare Riesenhand ihn in die Höhe geworfen. Schreiend und von rötlichem Licht umflort drehte sich Brogandas mehrfach um seinen Schwerpunkt, wand sich um die eigene Achse und ruderte mit den Armen, so als würde er sich gegen einen nicht erkennbaren Feind zur Wehr setzen.
    In einer Höhe, die etwa anderthalb Schiffsmasten entsprach, prallte er gegen die Turmwand und blieb kopfüber am Gemäuer haften. Er war offensichtlich unfähig, sich zu bewegen. Die rötlichen Blitze verebbten. Brogandas war nun vollkommen hilflos.
    Er hat es gewusst, erkannte Arvan plötzlich, nachdem er seinen Blick von dem erfolglos magische Formeln vor sich hinmurmelnden, kopfüber an der Wand hängenden Dunkelalben zu dem vollkommen ruhig die Szenerie beobachtenden Fährtensucher Lirandil wandern ließ. Die Gesichtszüge des Elben ließen kaum etwas darüber erkennen, was im Augenblick in ihm vorging. Und doch hatte Arvan nicht den geringsten Zweifel, dass er mit seiner Annahme richtiglag. Mögen die Waldgötter wissen, was er alles über den Turm und dessen Versiegelung weiß! Vielleicht hat ihn Asanil einst sogar in die Magie der Turmversiegelung eingeweiht …
    Jedenfalls war Arvan sicher, dass Lirandil genau gewusst hatte, was mit Seldos und Brogandas geschehen würde. Und langsam dämmerte Arvan auch, was für ein Spiel der Elb da trieb. Er will Stärke und Überlegenheit demonstrieren!
    Ein kurzer Blick Lirandils traf Arvan.
    Und ein eindringlicher, glasklarer Gedanke des Fährtensuchers drang in Arvans Seele.
    Du kannst hier ein Musterbeispiel für eine etwas andere Art der Diplomatie sehen, Arvan. Es ist die Diplomatie der Stärke – und wenn Dunkelalben und thuvasische Magier bei alledem, was sie trennt, eine Gemeinsamkeit haben, dann ist es ihre Skrupellosigkeit und ihr Respekt vor der puren Macht.
    Die Runen aus Elbengold veränderten jetzt abermals ihre Farbe. Die magische Glut, die sie bis dahin erfüllt hatten, färbte sich jetzt bläulich und glich sich damit dem Licht des Turms an. Strahlen schossen aus ihnen heraus, und eine Stimme murmelte Worte in der Elbensprache. Die Strahlen trafen Lirandils Kopf und erfassten ihn völlig. Für einen Augenblick konnte man den Schädelknochen des Elben sehen. Lirandil hob beide Hände, und die Runen in der Tür veränderten daraufhin ihre Formen.
    Dann verlosch das magische Leuchten des Turms von einem Augenblick zum anderen, und in der zweifellos hellsten Stadt ganz Athranors wurde es so finster wie in keiner anderen.
    Schreie gellten in der Finsternis.
    Schreie, die für Arvan fremdartiger klangen als alles, was er je an Stimmen im Halblingwald gehört hatte. Aber er hatte auch noch nie einen thuvasischen Magier und einen Dunkelalben schreien hören. Zwei Schatten fielen entlang des Turmgemäuers zu Boden. Für Arvans menschliche Augen war die Veränderung von der taghellen Stadt des Lichts zur tiefsten Nacht einfach zu schnell gewesen. Am Himmel leuchteten jetzt wieder Mond und Sterne, die zuvor vom allgegenwärtigen Zauberlicht des Turms überstrahlt worden waren.
    Auf dem sich den Steinkreis anschließenden Marktplatz erhob sich ein lautes, aufgeregtes Stimmengewirr– wie auch überall sonst in der Stadt. Kaum irgendwo in Asanilon hatte jemand eine Kerze oder eine Öllampe entzündet. Die meisten Leute besaßen so etwas nicht einmal, denn sie konnten sich auf das Licht des Turms verlassen. Die einzigen Feuer, die in dieser Stadt brannten, waren Herdfeuer und die Feuer von Schmiede- und Brennöfen. Aber Feuer zu entzünden, nur um in der Nacht Licht zu erzeugen, war bisher weder in der Stadt noch im meilenweiten Umkreis nötig gewesen.
    Zehn Herzschläge lang währte die Finsternis.
    Genau zehn Herzschläge– allerdings bemessen nach dem Herzen eines Elben, und deren Herzen schlugen

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